Frevel: Roman (German Edition)
und denkt, Ihr wärt zu sehr Castelnaus Mann.«
Erneut wandert sein Blick verstohlen zu dem Schreibtisch, aber er reißt sich sofort zusammen und beginnt, an einem losen Faden an seinem Ärmel herumzuzupfen.
»Deswegen muss ich mit dem Botschafter sprechen. Zwischen ihm und Mendoza herrscht böses Blut, wie Ihr sicher wisst, gleichwohl darf das unsere Pläne nicht beeinträchtigen. Wenn überhaupt, bin ich Marias Mann.«
Marias oder Maries, frage ich mich stumm.
»Gut, dann lasse ich Euch jetzt allein, damit Ihr in Ruhe auf ihn warten könnt.« Ich steuere auf die Tür zu.
»Wie steht es denn mit Euch, Doktor Bruno?«
»Mit mir?« Die Frage hält mich zurück, als ich nach dem Türknauf greife. Meine Haarwurzeln beginnen zu prickeln. Ich drehe mich um und stelle fest, dass seine hellen Augen forschend auf mir ruhen.
»Ja. Wessen Mann seid Ihr?«
»Ich bin König Henri von Frankreich treu ergeben«, erwidere ich so unbefangen, wie es mir möglich ist. »Dank seiner Gunst kann ich hier in England leben, und ich werde seinen Botschafter bei allem unterstützen, was er zum Wohle Frankreichs zu tun beabsichtigt.«
Er taxiert mich nun mit schmalen Augen.
»Dann ist es für Euch eine politische und keine religiöse Angelegenheit, nicht wahr? Maria wieder auf ihren Thron zu bringen, meine ich.«
Ich lächele nur.
»Wenn es Männer gibt, die Religion strikt von Politik trennen, Throckmorton, dann sind sie nicht in den Botschaften Europas zu finden. Sie kauern vermutlich in irgendeiner abgelegenen Höhle, beten und hüllen sich in Tierfelle.«
Bei diesen Worten muss er lachen, und er verbeugt sich leicht, als ich in der Hoffnung, etwaige Zweifel, die er vielleicht bezüglich meiner Person hegt, zumindest vorübergehend zerstreut zu haben, den Raum verlasse. Ich gehe durch die leeren Korridore zum hinteren Teil des Hauses, zu dem kleinen Anbau, den Castelnaus Vorgänger in die Privatkapelle der Botschaft umgewandelt hat. Königin Elisabeth erlaubt Gottesdienste in den Botschaften der Länder, die Rom die Treue halten, allerdings ist die Teilnahme auf die Botschaftsangehörigen, die Dienerschaft und auf katholisch getaufte Ausländer beschränkt. In der Praxis quellen diese Kapellen von englischen Katholiken über, etwa mit Freunden der Botschafter, für die der Empfang des Sakraments in ihren eigenen Häusern Kerkerhaft oder gar die Todesstrafe nach sich ziehen würde.
Ich beziehe auf einer Bank in einer Fensternische gegenüber der Kapelle Posten und warte, um zu sehen, wer alles herauskommt. Zu den Pflichten meiner Arbeit für Walsingham gehört es ja auch, darauf zu achten, wer hier die Messe besucht, und ihm die Namen unerwarteter Gäste zu nennen. Drinnen ist schwach ein monotoner Sprechgesang zu vernehmen, der von den gedämpften Antworten der Gemeinde unterbrochen wird. Eine Fliege schwirrt vor der Scheibe umher und prallt gelegentlich dagegen, zitronenfarbenes Licht fällt durch die Scheiben und beleuchtet Binsen auf dem Boden.
Die Minuten – ich weiß nicht, wie viele – verstreichen, die Intonationen nehmen ihren Fortgang, dann tritt Stille ein, und endlich öffnet sich die Tür, und die Gottesdienstteilnehmer strömen heraus, dabei tuscheln sie so erleichtert miteinander wie Kinder nach Schulschluss: der Kellermeister, der Haushofmeister, der Koch und der Rest der Botschaftsdienstboten. Dann die, die näher beim Altar gesessen haben: Courcelles, Archibald Douglas (was mich überrascht, ich hatte keine Ahnung, dass er die Messe besucht), Lord Henry Howard natürlich und hinter ihm ein hochgewachsener junger Mann mit einem langen Pferdegesicht und hoher Stirn, hinterher Castelnau und seine Frau, gefolgt von einem verschüchtert wirkenden spanischen Priester, der mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen vorbeihuscht. Wenngleich die Teilnahme an der Messe allen erlaubt ist, die hier wohnen, benehmen sie sich, als wären sie bei einem Vergehen ertappt worden, werfen mir verstohlene Blicke zu und schlurfen mit gesenktem Kopf vorüber – alle außer Marie, die mir ein kokettes Lächeln schenkt.
»Ah, Bruno – ich fürchte, Ihr habt die Messe verpasst.« Der Botschafter lächelt entschuldigend, als wäre dies sein Fehler. Courcelles schnaubt verächtlich.
»Ich muss mich entschuldigen – ich bin gerade erst gekommen«, erwidere ich mit einer leichten Verbeugung. »Throckmorton wartet in Eurem Arbeitszimmer auf Euch, Mylord.«
»Throckmorton?« Castelnau bleibt abrupt stehen und wechselt einen Blick
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