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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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und weiß wie die einer Näherin. Mit seinem kleinen Messer bearbeitet er das weiche Wachs, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Dann schiebt er den Brief wieder in die Ölhauthülle des Päckchens, das Dumas unverzüglich bei Throckmorton abliefern muss.
    Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich Dumas unruhig zappeln; er kann es kaum erwarten, endlich aufbrechen zu können. Nachdem er uns den kopierten Brief ausgehändigt und das Päckchen für Throckmorton neu versiegelt hat, geleitet uns Phelippes zur Hintertür seines Hauses und wünscht uns mit einem linkischen Heben der Schultern und noch immer gesenktem Blick einen guten Tag.
    Wir überqueren den Hof und biegen in eine Seitenstraße ein, die bei dem kleinen Kirchhof von St. Katherine Cree endet. Eine kalte Windbö peitscht uns ein paar Regentropfen in die Gesichter, und Dumas erschauert; ein heftiges Zittern, das durch seinen ganzen Körper läuft. Er kommt mir ungewöhnlich angespannt vor; als ein Junge plötzlich aus einer Gasse gestürmt kommt, springt er wie ein Hase in die Höhe und packt meinen Ärmel.
    »Stimmt etwas nicht, Léon?«, frage ich, während der Junge Haken um die Pfützen schlägt und hinter Häusern auf der anderen Straßenseite verschwindet. Dumas sieht mich mit einem eigentümlich flehenden Ausdruck an, scheint etwas sagen zu wollen, besinnt sich dann aber, schüttelt den Kopf und murmelt, dass er sich beeilen müsse. Ich komme ebenfalls zu spät zu meinem Treffen mit Fowler; am Morgen noch hatte ich es bedauert, mich in der Schänke einfinden zu müssen, weil es meine Pläne für den Tag beeinträchtigte, aber jetzt empfinde ich fast so etwas wie Erleichterung. Walsingshams zornige Reaktion im Palast hat mich gelehrt, dass ich nicht darauf hoffen kann, den Mörder allein zu überführen, und der stille, zurückhaltende Schotte mit seinem Netzwerk von Kontaktleuten und seinem Wissen über die Vorgänge in Salisbury Court könnte genau der Vertraute sein, den ich jetzt brauche. Walsingham hat mir praktisch befohlen, meine Informationen weiterzugeben, und die Aussicht, einen Teil der Last auf einen anderen abwälzen zu können, erscheint mir mit einem Mal äußerst verlockend.
    Als ich Dumas eine Hand auf die Schulter lege, zuckt er zusammen. Hier trennen sich unsere Wege, ich muss Richtung Westen zur Creed Lane, er Richtung Süden zum Paul’s Wharf und Throckmortons Haus.
    »Wir sehen uns dann in Salisbury Court.«
    Er blickt sich flüchtig um, dann beugt er sich zu mir.
    »Jetzt werden sie Bescheid wissen, nicht wahr? Dass die Briefe geöffnet worden sind?«
    »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Der Ring. Wenn die Schatulle und der Ring aus dem Päckchen gestohlen wurden, werden sie jeden überprüfen, der eine Gelegenheit dazu hatte.« Wieder greift er nach meinem Ärmel. Seine Augen flackern vor mühsam unterdrückter Panik.
    »Überstürzt nichts, Léon – der Ring kann überall auf seinem Weg verschwunden sein. Oder er ist überhaupt nicht verschwunden. Es gibt keinen Grund, warum man uns jetzt noch stärker verdächtigen sollte als zuvor.«
    Aber er ist nicht überzeugt, im Gegenteil, er wirkt ängstlicher, als ich ihn je erlebt habe. Wenn seine Furcht die Oberhand gewinnt und er versucht, unsere Vereinbarung rückgängig zu machen, könnten wir den Zugang zu Marias Korrespondenz mit Salisbury Court und somit jegliche Informationen über ihre Invasionspläne verlieren und keine Beweise für Komplotte gegen die Königin mehr zusammentragen können. Das darf nicht geschehen, die gesamte Operation hängt von Dumas’ Seelenfrieden ab, und es ist an mir, seine Bedenken zu zerstreuen.
    »Wir müssen Ruhe bewahren, Léon, und dürfen uns auf keinen Fall durch unser Verhalten verraten. Wir werden später ausführlich darüber sprechen. Kommt in meine Kammer, wenn Ihr könnt.« Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Und jetzt geht.« Ich sehe ihm nach, als er mit zum Schutz vor dem Regen hochgezogenen Schultern in südlicher Richtung auf den Fluss zusteuert. Als ich mich umdrehe, um meinen eigenen Weg fortzusetzen, bin ich mir sicher, eine hastige Bewegung zu bemerken, eine Gestalt, die in den Schatten hinter der Kirche St. Katherine huscht. Mein Magen krampft sich einen Moment lang zusammen, und ich greife nach dem Dolch mit dem beinernen Griff, den ich immer am Gürtel trage – das einzige Besitzstück, das ich in der Nacht meiner Flucht aus dem Kloster San Domenico in Neapel mitgenommen habe. Doch als ich mich nach allen Seiten umblicke, kann ich

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