Frevel: Roman (German Edition)
zählt lediglich Fakten auf. Jetzt beugt er sich tiefer über den Brief und blättert dabei die Seiten des Buches um.
»Ich werde zur Sicherheit ein paar dieser Worte noch einmal mit dem Buch vergleichen, aber im Wesentlichen behauptet Henry Howard in diesem Brief, nichts von irgendeinem Ring zu wissen. Offenbar hat Maria ihm einen wertvollen Ring mit einem eingravierten Familienwappen geschickt, der einst ihrer Mutter gehörte. In einer grünen Samtschatulle. Schon vor Wochen, wie es aussieht. Er sollte ihn als Siegel benutzen, um zu beweisen, dass die Briefe wirklich von ihm stammen, doch er beteuert hartnäckig, nie eine solche Schatulle oder einen Ring erhalten zu haben. Man könnte meinen, sie wären heimlich verlobt … dieses Hin und Her mit Ringen.« Phelippes gibt plötzlich ein bellendes Lachen von sich, ein Geräusch, das aus seiner Kehle unnatürlich klingt.
»Nur dass Howard ihn wohl wirklich nie bekommen hat«, murmele ich. Mein Gehirn fängt fieberhaft zu arbeiten an. Der Ring, den Maria Henry Howard geschickt hat, ist als Liebesunterpfand bei Cecily Ashe gelandet – es kann sich nur um dasselbe Schmuckstück handeln –, aber wer hat ihn ihr gegeben? Wenn Marias gesamte Korrespondenz mit Howard über die französische Botschaft läuft, dann kann das Päckchen mit dem Ring entweder abgefangen worden sein, bevor es Howard ausgehändigt wurde – zum Beispiel von Throckmorton oder sonst jemandem in Salisbury Court –, oder Howard lügt Maria an und war selbst derjenige, der Cecily den Ring geschenkt hat. Oder sein Neffe Philip Howard, auf den Abigails Beschreibung von Cecilys Liebhaber am besten passt. Ich schüttele den Kopf – es bleibt die Frage, warum der Betreffende ein so eindeutig zu identifizierendes Geschenk gewählt hat; eines das, würde es gefunden, klar auf die Verschwörer um Maria Stuart hinweisen würde. Es kommt mir fast wie ein bewusster Verrat an Maria vor.
Im Raum herrscht mit einem Mal eine seltsame Stille. Ich blicke auf und stelle fest, dass Dumas seine Kritzelei eingestellt hat. Stattdessen starrt er mich an, sein Gesicht ist bleich und angespannt, seine Augen quellen noch stärker aus den Höhlen als sonst. Ich runzele fragend die Stirn, woraufhin er sich auf die Lippen beißt und stumm das Wort »Zeit« formt.
Er hat Recht, er muss das Briefpäckchen zu Throckmorton bringen, und in der »Mitra« wartet Fowler auf mich. Wir arbeiten ohnedies, so schnell wir können, müssen aber immer damit rechnen, dass jemand aus Salisbury Court gesehen hat, wie ich mich mit Dumas getroffen habe oder unseren Abstecher in die Leadenhall Street zu Phelippes’ Haus bemerkt hat – vor allem jetzt, wo es fast sicher ist, dass mich jemand beschattet. Dank Marie und ihrer Kokettiererei mit mir ist der größte Teil des Tages bereits verstrichen, aber ich hoffe immer noch, mich heute noch auf den Weg nach Mortlake machen zu können, um nach Ned Kelley oder Hinweisen auf seinen Aufenthaltsort zu suchen. Phelippes scheint bei seiner Arbeit erstarrt zu sein, ich hüstele hinter vorgehaltener Faust leise, doch er zwinkert nur.
»Fast fertig«, sagt er milde, dabei starrt er immer noch auf den Brief, und ich begreife, dass er sich die Zahlen einprägt. Ich würde ihn zu gern nach seiner Technik fragen, möchte seine Konzentration aber nicht stören. Als er sich notiert hat, was er braucht, faltet er Howards Brief wieder zusammen und arrangiert die Geräte, die er für sein zweites Talent benötigt, das Fälschen von Siegeln: einige Stangen Wachs, eine Kerze und eine Reihe kleiner Messer mit silbernen Klingen, von denen manche nicht größer sind als die Spitze einer Schreibfeder. Er nimmt sich einen Moment Zeit, um das neue Wachs zu betrachten, und passt die Farbe sorgfältig an die des Originals an. Ich verfolge fasziniert, wie er mit geschickten Fingern einen Teil der Unterseite erhitzt und gerade so viel frisches Wachs hinzufügt, um das Originalsiegel wieder befestigen zu können, ohne es dabei zu beschädigen. Jede unbedachte Bewegung könnte in dieser entscheidenden Phase fatale Folgen haben; Marias scharfe Augen würden jede verräterische Spur an Howards Siegel sofort entdecken und daraus schließen, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hat. Ich registriere, dass ich unbewusst den Atem anhalte; ich bin sorgsam darauf bedacht, Phelippes auf keinen Fall abzulenken, doch er scheint gar nicht auf mich zu achten. Für einen so schwer gebauten Mann hat er erstaunliche schmale Finger, lang
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