Frevel: Roman (German Edition)
habe meinen ersten kaum angerührt, aber das scheint er nicht bemerkt zu haben.
»Was war das eigentlich für eine Geschichte mit der Pastete?«, frage ich.
Wieder ertönt eine schallende Lachsalve.
»Ach ja, die Pastete. Ich werde es Euch erzählen. Als Maria Stuart vom Tod ihres Mannes erfuhr, lud sie eine Anzahl Frauen zu einem Ball an ihrem Hof ein, und sie haben die ganze Nacht lang getanzt – alle splitterfasernackt.« Er legt eine kleine Kunstpause ein. »Und wisst Ihr, was sie dann taten? Sie rasierten sich ihre Haare ab!«
»Ihre Haare?«, wiederhole ich stirnrunzelnd.
»Von ihren Mösen, Ihr ahnungsloser Engel.« Für den Fall, dass ich immer noch nicht verstehe, deutet er auf seine Leistengegend. »Dann taten sie die Haare in eine Fruchtpastete, die sie dann zum Spaß den männlichen Gästen vorsetzten. Das ist die Frau, die sie auf den Thron bringen wollen.« Er streicht sich das Haar aus der Stirn und nickt zufrieden.
»Ist das wahr?«
Douglas legt sich pathetisch die Hand auf das Herz.
»So wahr, wie ich hier sitze, mein Sohn.«
»Ich wünsche Euch einen guten Tag, Gentlemen. Dachte ich es mir doch, dass Ihr es seid.«
Ich schrecke zusammen und blicke auf. Fowler hat sich durch das Gedränge gekämpft, steht jetzt neben unserem Tisch und lächelt unsicher.
»Oh, hallo. So ein Zufall. Master Fowler – auch Euch einen guten Tag.« Douglas hebt seinen Humpen, doch sein höfliches Lächeln erreicht seine Augen nicht. Fowler neigt ohne erkennbare Wärme den Kopf. Zwischen den beiden Schotten scheint eine uneingestandene Feindseligkeit oder ein Misstrauen zu herrschen, das die Annahme Lügen straft, Landsleute fern von daheim würden sich unweigerlich miteinander anfreunden. Ich versuche Fowler mit den Augen eine Entschuldigung zu übermitteln, doch er murmelt mit professioneller Kaltblütigkeit nur: »Bruno«, und nickt, bevor er sich wieder an Douglas wendet.
»Was führt Euch hierher, Archie?«, fragt er.
»Oh, Geschäfte«, erwidert Douglas obenhin. »Immer Geschäfte, Fowler, Ihr kennt mich doch. Und unser Freund Bruno hat auf dem Kirchhof von St. Paul’s nach Büchern gestöbert. Wo wir gerade beim Thema sind …« Er greift in sein Wams und zieht ein zusammengefaltetes, zerknittertes Stück Papier heraus. »Hat einer von Euch das hier schon einmal gesehen?« Er legt es vor sich auf den Tisch – eine weitere Flugschrift, diesmal mit einem Holzschnitt mit dem astrologischen Zeichen des Saturns. Douglas schiebt es zu mir herüber, während Fowler mir über die Schulter blickt. Auf dem Blatt prangt die primitive Zeichnung einer toten Frau, aus deren Brust ein Schwert ragt. Der Text besagt im Wesentlichen, dass der zweite Mord an einer königlichen Hofdame als klares Zeichen Gottes gewertet werden muss, welches besagt, dass Elisabeths Herrschaftszeit und mit ihr das, was der anonyme Verfasser als »protestantisches Experiment« bezeichnet, sich dem Ende nähert. Die Morde, deren Einzelheiten so deutlich auf die Große Konjunktion und ihre apokalyptischen Prophezeiungen hinweisen, sind Gottes Ausdruck des Zorns auf die ketzerische Königin, die in ihrer Rebellion gegen den Allmächtigen Unterstützung bei Hexern und Teufelsjüngern wie John Dee sucht, statt sich der Weisheit des Papstes zu unterwerfen. Wenn nicht der Teufel persönlich diese Morde begangen hat, dann kann es nur jemand mit satanischen Kräften gewesen sein.
»Steckt das weg!«, zischt Fowler und blickt sich hastig im Raum um, bevor er neben dem Tisch niederkauert. »Es verstößt heutzutage schon gegen das Gesetz, gedruckte Prophezeiungen nur zu besitzen – man weiß nie, wer einen beobachtet.«
»Diese Morde nehmen uns die Arbeit ab«, bemerkt Douglas, ohne auf Fowlers Rüge einzugehen, klopft auf das Pamphlet und dämpft seine Stimme zu einem Flüstern. »Untergraben das Vertrauen des Volkes in sie, mehr bedarf es nicht. Ihr werdet feststellen, dass es kaum Widerstand gegen einen Herrscherwechsel geben wird, sobald die Leute Beweise dafür sehen, dass Gott sein Antlitz von ihr abwendet.«
»Ihr unterschätzt die Sturheit der Engländer.« Fowler schüttelt den Kopf. »Und ihre Abneigung gegen Rom. Denkt nur an die Unzufriedenheit in den Straßen und die Hetzschriften, die aufgetaucht sind, als es hieß, die Königin erwöge, einen katholischen Franzosen zu heiraten.«
»Oh, aye?« Douglas strafft sich, als würde er sich auf einen Kampf vorbereiten, dann fällt ihm ein, wo er sich befindet, und er senkt die Stimme
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