Frevel: Roman (German Edition)
und der Lärmpegel in der Schänke machen es mir nicht leicht, dem Gespräch zu folgen.
»Er sagt, es fehlen einige Dinge. Sind einfach verschwunden, versteht Ihr? Daraus folgert er, dass sich jemand an den Päckchen vergreift, die aus Sheffield Castle kommen.«
»Was für Dinge?«
Douglas schüttelt nur den Kopf. »Briefe und Päckchen, die Maria ihm geschickt hat. Mehr hat er nicht gesagt. Aber natürlich richtet er sein Augenmerk auf Salisbury Court.« Er lässt den letzten Satz ganz beiläufig fallen und blickt dabei zum Nachbartisch, aber augenblicklich spannen sich alle meine Muskeln an.
»Howard hat keinen Grund, jemanden aus der Botschaft zu verdächtigen.« Ich versuche, mit ruhiger Stimme zu sprechen. Bittere Erfahrung hat mich gelehrt, dass es, wenn man eines Vergehens bezichtigt wird, fast nicht möglich ist, die Vorwürfe zurückzuweisen, ohne zu klingen, als erhebe man allzu hitzige Proteste. Aus diesem Grund habe ich es vor Jahren auch vorgezogen, aus dem Kloster zu fliehen, statt zu bleiben und mich einem Verhör durch den Vater Inquisitor auszusetzen.
Douglas lacht dröhnend auf.
»Kommt schon, Bruno, stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid. Jeder weiß, dass Ihr von der Inquisition gesucht werdet. Ihr seid ein abtrünniger Mönch, um Himmels willen! Und was Howard betrifft …«, an dieser Stelle dämpft er seine Stimme, »… in seinen Augen seid Ihr kein Anhänger des katholischen Glaubens, sondern ein Gegner. Ich sage nicht, dass ich seine Ansicht teile, ich finde nur, Ihr solltet wissen, was Howard von Euch hält. Er ist wütend auf Castelnau, weil er Euch zu diesen Versammlungen in der Botschaft eingeladen hat.«
»Nun, ich hasse es, ihn zu enttäuschen, aber heutzutage gilt meine Loyalität zuallererst demjenigen, der mir ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit anbietet.«
»Aye, darauf trinke ich.« Er hebt seinen Humpen.
»Ich weiß über Marias Briefe nur das, was ich zusammen mit dem Rest von Euch bei diesem Dinner erfahren habe.« Ich blicke ihm so freimütig wie möglich in die Augen. »Gehört Ihr selbst denn dem katholischen Glauben an?«
Ein Lächeln zuckt um seine Mundwinkel.
»Aye, man könnte vermutlich sagen, dass ich mich auf die Seite der Katholiken geschlagen habe. Ich persönlich betrachte mich als Pragmatiker. Ich kann die Zeichen der Zeit erkennen, mein Freund, und ich brauche keinen Sterndeuter und keine alte Prophezeiung, um zu wissen, dass Elisabeths Stern im Sinken begriffen ist.« Er schielt plötzlich nach rechts und links, aber niemand scheint unserem Gespräch Beachtung zu schenken. »Ich verstehe mich darauf, mich bei denen, deren Karriere steil nach oben führt, unentbehrlich zu machen, und wenn sie ihre Position gefestigt haben, fordere ich meine Belohnung ein. Henry Howard macht sich bezüglich meiner Frömmigkeit keine Illusionen, aber er weiß, dass ich meine eigene Position niemals gefährden würde. Königin Maria verbürgt sich für mich, und das reicht ihm. Nein – es ist Fowler, über den ich mir Gedanken mache. Er hat viele Freunde am Hof. Castelnau meint, das würde sich für uns günstig auswirken, aber ich habe da meine Zweifel.«
»Wie ich hörte, habt Ihr Euch Königin Maria einst bereits unentbehrlich gemacht«, werfe ich ein, um das Thema zu wechseln. Wenn die regelmäßigen Besucher von Salisbury Court zu viele Spekulationen über Fowlers Vertrauenswürdigkeit anstellen, könnte das unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.
Douglas grinst breit, schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und ruft über den Lärm in der Schänke hinweg nach mehr Bier.
»Ihr spielt auf den unseligen und vorzeitigen Tod von Königin Marias zweitem Mann Lord Darnley bei Kirk o’Field an, schätze ich?« Er leert seinen Humpen und blinzelt dann einen Moment lang mit milder Enttäuschung hinein. »Es hieß, sie hätten am nächsten Morgen meine Schuhe am Tatort gefunden. Ist das ein Beweis, frage ich Euch? Es können die Schuhe jedes beliebigen Mannes gewesen sein – schließlich habe ich ja nicht meinen verdammten Namen daraufgestickt. Aber versucht einmal, das dem Kronrat von Schottland zu erklären. Natürlich war da noch mein früherer Diener, der auf dem Schafott gegen mich ausgesagt hat, aber wenn man einem Mann eine Schlinge um den Hals legt, sagt er so ziemlich alles, was man von ihm hören will, nicht wahr? Ach, danke, meine Süße.« Er schenkt dem Schankmädchen, das zwei frische Humpen vor uns hinstellt, ein strahlendes Lächeln. Ich
Weitere Kostenlose Bücher