Frevel: Roman (German Edition)
könntet Ihr vermutlich. Doch was würde Euch das bringen? Ich habe Euch nichts getan, Marie.«
Sie erwidert nichts darauf, sondern wendet nur mit zusammengebissenen Zähnen den Blick ab.
»Was wollt Ihr von mir?«, frage ich so sanft, wie es mir möglich ist.
Sie schüttelt den Kopf und starrt weiterhin beharrlich in die Flammen. Ich kann nicht sagen, was in ihr vorgeht; mein Verdacht, sie habe in der Hoffnung, ich würde schwach genug zum Nachgeben sein, ihren Charme eingesetzt, um mir irgendein Geheimnis zu entlocken, verstärkt sich, trotzdem besteht die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass sie mir echte Gefühle entgegenbringt oder glaubt, es zu tun. Wie auch immer, jede Frau nimmt eine Abfuhr übel, und eine Frau, die in ihrem Stolz verletzt wurde, kann gefährlich sein. Ich knie vor ihr auf dem Boden nieder und lege eine Hand über die ihre. Sie zieht sie nicht zurück, sieht mich aber immer noch nicht an.
»Marie.« Ich halte inne, wähle meine nächsten Worte sehr sorgfältig. »Ich war elf Jahre lang Mönch, ich habe gelernt, meine Begierde zu zügeln. Und so schön Ihr auch seid …«, hier geruht sie endlich, mich anzuschauen, obwohl ihre Augen noch immer kalt funkeln, »… schulde ich Eurem Mann und König Henri, seinem Herrn, Loyalität und Respekt. Außerdem möchte ich Euren Respekt nicht verlieren.« Wenn ich ihn je genossen habe, füge ich stumm hinzu.
Wie um meine Rede abzuwägen schürzt sie die Lippen und ringt sich schließlich zu einem leichten Nicken durch. Zaghafte Erleichterung durchflutet mich; ich weiß so gut wie sie, wie schwer sie mir das Leben in Salisbury Court machen könnte, wenn sie es darauf anlegen würde. Ich verharre einige Augenblicke auf den Knien, während ich überlege, wie ich weiter vorgehen soll, entschlossen, keinen Schritt zu unternehmen, der ihren Ärger erneut aufflammen lassen könnte.
»Vielleicht ist es das Beste, für heute mit der Lektion Schluss zu machen?«, schlage ich vorsichtig vor. Sie nickt, und in diesem Moment klopft es an der Tür. Sofort springe ich auf, gebe Maries Hand frei und weiche zurück – allerdings nicht schnell genug, als dass diese Szene Courcelles, der eintritt, ohne die Aufforderung dazu abzuwarten, entginge. Marie hat zumindest den Anstand, schuldbewusst zu wirken, bevor ein hämisches Lächeln über ihr Gesicht huscht, als sie zu ihm aufblickt.
»Verläuft der Unterricht gut?«, fragt er mit einer Stimme, die einer in Satin verpackten Stahlklinge gleicht.
»Danke, ja, Claude«, erwidert Marie obenhin. »Ist irgendetwas?«
»Ja, Madame – Katherines Gouvernante hat mich gebeten, Euch zu holen. Das Kind weigert sich, seinem Unterricht zu folgen.«
Ich beobachte Marie und stelle fest, dass ihre erste unverschleierte Reaktion in Verdruss besteht. Ihre Züge verhärten sich, bevor sie sich zusammennimmt und eine Maske mütterlicher Besorgnis anlegt.
»Erwartet sie, dass ich mich um alles kümmere? Weshalb habe ich sie eigentlich eingestellt?« Sie erhebt sich, streicht ihr Kleid glatt und zögert kurz, als wäre sie nicht sicher, ob sie noch ein Wort an mich richten sollte, dann schiebt sie das Kinn vor und rauscht aus dem Raum, ohne uns beide noch eines Blickes zu würdigen. Courcelles wendet sich mir mit einem Ausdruck zu, der Marmor bersten lassen könnte.
»Ich dachte, Euer Unterricht sollte Marie de Castelnaus Gedächtnis verbessern?« Er legt eine Hand auf den Türknauf. »Er scheint die gegenteilige Wirkung zu haben – offensichtlich erinnert sich keiner von euch daran, dass sie eine verheiratete Frau ist. Ich frage mich, was ihr Mann dazu sagen würde.«
»Das werden wir zweifellos erfahren, wenn Ihr es ihm sagt«, erwidere ich, ohne aufzublicken, und falte das Diagramm mit den Gedächtnisrädern zusammen, ehe er es sich ansehen kann.
»Oh, ich werde nicht derjenige sein, der es ihm verrät, Bruno. Ich kann schweigen wie ein Grab.« Er legt eine Kunstpause ein. »Es sei denn, Ihr gebt mir Grund zu der Annahme, dass der Botschafter informiert werden sollte.«
»Es gibt nichts zu informieren«, versetze ich unverblümt und richte mich auf.
»Da bin ich ganz sicher. Aus ersichtlichen Gründen ist der Botschafter in diesem Punkt jedoch etwas empfindlich. Übrigens – habt Ihr gehört, dass sich am Hof ein weiterer Mord ereignet hat?«
»Allerdings. Was für eine Tragödie.«
»Letzte Nacht, als wir alle bei dem Konzert waren – ist das zu fassen? Nun, alle außer Euch , sollte ich wohl sagen.«
»Ein
Weitere Kostenlose Bücher