Fridolin zieht nach Berlin
Woche später wieder bewusst, als sie Michelle zufälligerweise beim Einkaufen getroffen hatte.
Mike hatte dem Braten natürlich nicht ganz getraut, aber die Hoffnung darauf, über Michelle zu erfahren, was jemanden wie Nancy antrieb, hatte sie dazu veranlasst, das Mädchen freundlich zu grüßen.
Michelle hatte ihr zugewinkt und gelächelt, um dann von einem Moment auf den nächsten eine eisige, kalte Miene aufzusetzen, als Nancy aus einem anderen Gang getreten kam.
Mike hatte sofort gewusst, was das bedeutete. Enttäuscht war sie an Michelle vorbeigegangen und hatte sich dann schleunigst daran gemacht, nach Hause zu kommen.
Und nun, wo sich alle vier Mädchen mit Nancy zusammen von ihren Plätzen erhoben, versuchte Mike, das wieder in ihr aufsteigende, enttäuschende Gefühl zu unterdrücken. Sie hatte bemerkt, wie nachdenklich und sensibel Michelle eigentlich war. Denn sie hatte – und das verwunderte Mike am meisten – offen und ehrlich gesagt, dass sie Nancys Verhalten oft total doof fand. Aber warum machte sie dann jetzt wieder mit?
Während Mike darüber nachdachte, setzte sie sich seelenruhig auf ihren Platz und begann, ihre Schulhefte aus dem Rucksack zu holen.
„Glaubst du, dass es dir gut bekommen wird, wenn du so frech bist?“, hörte sie da Nancys Stimme.
„Meinst du, dass es dir gut bekommen wird, immer so eine große Klappe zu haben?“
„Was glaubst du eigentlich, wer du bist, du, du …“ Nancy suchte nach den richtigen Worten und grinste fies, als ihr etwas eingefallen war: „Du Abfallhaufen.“
Mike kniff die Augen zusammen. Die Wut, die nun in ihr aufstieg, wollte sie nicht zu sehr zeigen.
Nein, den Gefallen wollte sie dieser arroganten Göre nicht tun.
Mike schluckte und legte ein verkrampftes Lächeln auf die Lippen. „Du Puppengesicht“, schoss sie zurück und verdrehte die Augen, als sie Nancys triumphierendes Lächeln erkannte.
„Hast du es auch endlich gemerkt?“
„Oh ja, wenn du wüsstest“, lächelte Mike und konnte die innere Genugtuung gar nicht in Worte fassen. Es war ihr, als ob alle Glücksgefühle, die ein Mensch jemals auf einmal erleben konnte, komplett durch sie hindurchschossen und ihr eine wunderbare Gänsehaut über den Rücken jagten.
„Du bist so dumm.“
„Und du ein Fossil.“
„Beleidigen lasse ich mich nicht, hörst du?“, schnaufte Nancy, die jetzt wohl begriffen hatte, dass Mike es nicht ehrlich mit dem meinte, was sie eben gesagt hatte. „Dafür wirst du büßen. Nachher in der Pause klatsche ich dich an die Wand.“
„Hier wird niemand an die Wand geklatscht“, erklang da die Stimme von Frau Rossenbach, einer jungen, engagierten Lehrerin, die gerade erst ihr Examen gemacht hatte, „sondern wir schlagen jetzt die Lehrbücher auf. Wir beginnen heute mit dem Dreißigjährigen Krieg. Also, hopp, hopp, auf die Plätze!“
Mike mochte Frau Rossenbach und war nun ganz froh darüber, dass sie gerade jetzt, wo es brenzlig wurde, das Klassenzimmer betreten hatte.
„Das wird ein Nachspiel haben, Mülleimer.“
„Und was für eins“, nickte eine dickliche Klassenkameradin, die zwei Zöpfe trug und mit ihrem Rüschenpullover ihre Körperfülle auch noch untermalte.
Obwohl Mike es gewohnt war, von Nancy und ihren Terror-Barbies gehänselt zu werden, war sie doch alles andere als erpicht darauf, von den Fünfen durch die Mangel gedreht zu werden.
So fieberte sie dem Ende der Stunde entgegen und hatte, als es klingelte, ihre Hefte schon zusammengefaltet und unauffällig in ihrem Rucksack verstaut.
Rasch sprang sie auf und lief durch das Klassenzimmer.
Frau Rossenbach rief noch: „Hey, Mike, ich beende die Stunde!“
Doch Mike antwortete nur: „Keine Zeit!“
Sie ging an Nancy vorbei, streckte ihr die Zunge heraus und fragte sich im gleichen Moment, warum sie immer wieder solche Dummheiten machte. Sie wusste doch, wie Nancy auf so etwas reagierte. Da war Nancy wie ein Peildetektor, der Gold suchte.
Mike schüttelte den Kopf und nannte sich selbst einen Dummkopf.
Zum Glück, wie Mike erleichtert feststellte, waren Nancy und ihre Freundinnen nicht so schlau gewesen. Sie waren ganz verdutzt, dass Mike schon aus der Klasse hinausgerannt war, während sie selbst noch ihre Sachen zusammenpackten.
„Die will türmen!“, rief Michelle und versetzte damit Mike einen weiteren Stich. Soviel dazu, dass Michelle es blöd fand, wie Nancy sich oft benahm.
Mike seufzte darüber und fühlte eine unsagbare Enttäuschung in sich
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