Frieden auf Erden
Arschloch.«
»Wahrhaftig?« Der Professor war so platt, daß ihm nicht einmal ein Lächeln einfiel. »Bitte fragen Sie sie jetzt nach mir.«
»Wie Sie wünschen.«
Ich machte mich erneut an meiner Linken zu schaffen und wies auf den Professor. Sie wartete gar nicht erst ihre Streicheleinheiten ab, sondern reagierte sofort.
»Nun?«
»›Auch ein Arschloch.‹«
»Das hat sie gesagt?«
»Jawohl. Mit den Verben kommt sie tatsächlich nicht klar, aber verstehen kann man sie. Ich hingegen weiß immer noch nicht, WER da spricht. Er tut es nur durch Zeichen, aber das spielt keine Rolle. Zu Ihnen spreche ich mit dem Mund, zu ihr muß ich es mit den Fingern tun. Wie ist das nun eigentlich? Gibt es in meinem Kopf demnach ein ICH und einen ER? Warum, falls es einen ER gibt, weiß ich nichts von ihm, spüre ihn nicht und erlebe nicht seine Gefühle, seine Emotionen und rein gar nichts, obwohl er MIR im Kopfe steckt und Teil MEINES Gehirns ist? Das kommt doch nicht von außen! Ich könnte ja noch verstehen, wenn ich eine Bewußtseinsspaltung hätte, wo mir im Schädel alles durch die Lappen geht, aber das hier? Woher kommt er denn, dieser ER? Ist das auch ein Ijon Tichy? Und falls er einer ist – warum muß ich mich auf dem Umweg über die linke Hand mit ihm verständigen? Ich frage Sie das, Professor! ER – oder sie, falls es eine Hälfte meines Gehirns sein sollte – bringt noch ganz andere Sachen fertig. Wenn ER – oder sie – wenigstens nicht so sinnlich wäre! Ich bin dadurch in so manchen Skandal geraten.«
Da ich in vornehmer Zurückhaltung keinen Sinn mehr sah, erzählte ich die Geschichten aus den Autobussen und Untergrundbahnen. Er war fasziniert.
»Ausschließlich Blondinen?«
»Ja. Vielleicht sind sie auch gebleicht, das spielt keine Rolle.«
»Treiben Sie es noch weiter?«
»Im Autobus nicht.«
»Und anderswo?«
»Das habe ich noch nicht probiert. Ich habe IHM – oder ihr, wenn Sie so wollen – nicht die Gelegenheit geboten. Weil Sie schon alles so genau wissen wollen, füge ich hinzu, daß ich deswegen mehrfach geohrfeigt worden bin. Wenn es auf die linke Backe klatschte, war ich einfach wütend und verwirrt, weil ich keinerlei Schuldgefühl hatte, spürte zugleich aber Erheiterung. Dann kam ich mal an eine, die mußte Linkshänderin sein, denn sie schlug mich auf die rechte Backe. Da spürte ich von Spaß oder Heiterkeit nicht die Spur. Ich habe darüber nachgedacht und glaube den Unterschied zu verstehen.«
»Natürlich!« rief der Professor. »Der linke Tichy bekam die Maulschelle für den rechten, und das war es, was diesen erfreute. Kriegte es der rechte aber für den rechten, so war das alles andere als lustig. Er kriegte es sozusagen nicht nur für das Seine, sondern auch in seine Gesichtshälfte.«
»Na eben. Es muß in meinem unglücklichen Kopf also dennoch eine gewisse Kommunikation geben, die eher vom Gefühl als von der Vernunft geprägt ist. Andererseits müssen auch Emotionen erlebt werden, aber ich habe einfach keine Ahnung davon. Wenn sie nicht bewußt erlebbar wären, wäre es gut, aber wie könnten sie es nicht sein? Schließlich dieser Eccles mit seinen automatischen Reflexen: reines Gefasel. Nach einem Girl Ausschau halten, das sexy ist, sich heranarbeiten, ohne noch zu wissen, warum, sich im Gedränge hinter die Puppe quetschen und so weiter – was sind denn das für unbewußte Reflexe? Das ist doch die reine Stabsübung, eine völlig durchdachte Aktion, also bewußt ! Aber WEM bewußt? WER hat das vorausbedacht, WER hat dieses Bewußtsein, da doch ICH es nicht habe?«
»Ach, wissen Sie«, sagte der immer noch hochgradig aufgereizte Professor, »dafür gibt es letztlich auch eine Erklärung. Das Licht einer Kerze strahlt in der Dunkelheit, aber nicht im Sonnenschein. Das rechte Gehirn mag ja ein gewisses Bewußtsein haben, aber es ist schwach wie das Kerzenlicht, es verbleicht im Bewußtsein der dominierenden linken Hälfte. Es kann durchaus …«
Der Professor zog blitzschnell den Kopf ein, sonst wäre er von einem Schuh getroffen worden. Mein linker Fuß hatte ihn, den Absatz gegen ein Stuhlbein stemmend, abgestreift und dann mit solchem Schwung nach vorn geschleudert, daß er, das Professorenhaupt knapp verfehlend, wie ein Geschoß an die Wand prallte.
»Sie mögen ja recht haben«, sagte ich, »aber verdammt reizbar ist diese rechte Hälfte doch.«
»Vielleicht fühlt sie unter dem Einfluß unseres Gesprächs oder vielmehr dessen, was sie dabei falsch
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