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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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obgleich Sie auf der Schädeldecke nicht die Spur einer Trepanationsnarbe tragen …«
    »Professor«, fiel ich ihm ins Wort, »ich habe Ihnen doch gesagt, daß hier keine Trepanation im Spiel war, sondern die Wirkung einer neuen Waffe. Das soll die Waffe der Zukunft sein, die niemanden mehr tötet, sondern einer ganzen angreifenden Armee die totale, fernausgelöste Zerebellotomie bereitet. Mit abgetrenntem Kleinhirn fällt jeder Soldat augenblicklich um, denn er wäre gelähmt. So hat man es mir in dem Zentrum erklärt, dessen Namen ich Ihnen nicht verraten darf. Ich habe zufällig irgendwie seitlich zu diesem Ultraschallfeld gestanden, sagittal, wie die Ärzte sagen. Übrigens ist auch das nicht ganz sicher, denn wissen Sie, diese Roboter arbeiten im geheimen, und die Wirkung dieses Ultraschalls ist ungeklärt …«
    »Das ist alles nicht so wichtig«, sprach der Professor und sah mich mit guten, klugen Augen durch seine goldene Brille an. »Die außermedizinischen Umstände beschäftigen uns im Moment nicht. Es gibt gegenwärtig achtzehn Theorien darüber, in wie viele Ichs ein Mensch durch Kallotomie zerfallen kann. Da eine jede durch bestimmte Experimente gestützt wird, ist begreiflich, daß keine von ihnen absolut falsch noch absolut richtig zu sein braucht. Sie, Herr Tichy, sind nicht einer, Sie sind nicht zwei, und von Bruchzahlen kann auch keine Rede sein.«
    »Wie viele bin ich also eigentlich?« fragte ich verblüfft.
    »Es gibt keine gute Antwort auf eine schlecht gestellte Frage. Stellen Sie sich Zwillinge vor, die von Geburt an nichts anderes machen, als mit einer Schrotsäge Holz zu sägen. Sie arbeiten in voller Eintracht, anders könnten sie nämlich gar nicht sägen. Nehmen Sie ihnen nun die Säge weg, so gleichen sie Ihnen in Ihrem jetzigen Zustand.«
    »Aber jeder der beiden, ob sie nun sägen oder nicht, hat ein einziges Bewußtsein«, meinte ich enttäuscht. »Professor, Ihre Kollegen in Amerika haben mir bergeweise solche Gleichnisse vorgesetzt. Auch die sägenden Zwillinge waren mir nicht fremd.«
    »Klarer Fall«, sagte McIntyre und zwinkerte mir mit dem linken Auge zu, daß ich dachte, bei ihm wäre auch etwas durchgetrennt. »Meine amerikanischen Kollegen sind trübe Tassen und derartige Vergleiche blankes Blech. Ich habe die Sache mit den Zwillingen, die sich ein Amerikaner ausgedacht hat, absichtlich angeführt, weil sie in die Irre führt. Wollte man die Arbeit des Gehirns graphisch darstellen, so sähe sie bei Ihnen wie ein großes Y aus: Hirnstamm und Mittelhirn sind einheitlich, bilden also sozusagen den Stumpf des Ypsilons, während die beiden Halbkugeln geteilt sind wie die Arme dieses Buchstabens. Verstehen Sie? Intuitiv läßt sich leicht …«
    Der Professor hielt inne und stöhnte auf. Ich hatte ihn vor die Kniescheibe getreten.
    »Das war nicht ich, entschuldigen Sie bitte, das war mein linker Fuß«, rief ich hastig aus. »Es lag wirklich nicht in meiner Absicht …«
    McIntyre lächelte voller Nachsicht (aber auch ein bißchen gezwungen, etwa wie ein Psychiater, der so tut, als sei der Verrückte, der ihn eben gebissen hat, ein normaler, sympathischer Bursche) und stand auf, um sich mitsamt seinem Sessel auf eine sichere Entfernung zurückzuziehen.
    »Die rechte Halbkugel ist in der Regel viel aggressiver als die linke, das ist eine Tatsache«, meinte er und strich sich behutsam über das Knie. »Dennoch sollten Sie die Füße verschränkt halten. Die Arme auch. Das wird uns die Unterhaltung leichter machen, wissen Sie …«
    »Ich habe das schon versucht, aber mir schlafen so schnell die Glieder ein. Und außerdem, mit Verlaub, wird mir durch dieses Ypsilon überhaupt nichts klar. Wo fängt denn bei ihm das Bewußtsein an – vor der Gabelung, mittendrin, weiter oben? Wo denn?«
    »Das läßt sich nicht genau bestimmen«, sagte der Professor, das getretene Bein bewegend und eifrig massierend. »Das Gehirn, mein lieber Herr Tichy, besteht aus einer großen Zahl funktioneller Bauteile, die sich beim normalen Menschen vielfältig zusammenschalten können, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Bei Ihnen sind die höchsten Bauteile auf Dauer getrennt und können daher nicht miteinander in Austausch treten.«
    »Nehmen Sie es nicht übel, aber von diesen Baugruppen habe ich auch schon hundertmal gehört. Ich will nicht unhöflich sein, Professor, zumindest darf ich Ihnen versichern, daß meine linke Gehirnhälfte, die jetzt zu Ihnen spricht, es nicht sein will, aber weiter

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