Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Abkommen herbeigeführt worden sein. In Europa und in den Vereinigten Staaten wollte niemand mehr zum Militär. Die Menschen wurden durch Automaten ersetzt, von denen einer allerdings so teuer war wie ein Düsenjäger. Der lebende Soldat wurde durch tote Kampftüchtigkeit ersetzt. Übrigens waren das keinerlei Roboter, sondern kleine elektronische Blöcke, die in Raketen und Selbstfahrlafetten eingesetzt wurden, desgleichen in Panzer, die bei aller ihrer Größe platt waren wie Wanzen – sie brauchten ja keiner Besatzung mehr Raum zu bieten. Wurde solch ein Steuerblock zerstört, trat ein Reservegerät in Aktion. Die Hauptaufgabe des Gegners war nunmehr die Behinderung der Kommandoverbindungen, der militärische Fortschritt beruhte also auf der zunehmenden Selbständigkeit der Automaten. Diese wurden immer wirkungsvoller und immer teurer. Ich weiß nicht mehr, wer die neue Lösung fand, die gesamte Rüstung auf den Mond zu verlegen, freilich nicht in Gestalt der Rüstungsbetriebe, sondern sogenannter planetarer Maschinen. Diese waren bereits seit Jahren bei der Erforschung des Sonnensystems im Einsatz. Während ich mir das durch den Kopf gehen ließ, stellte ich fest, daß mir trotz aller Anstrengung zahlreiche Details entgingen und ich nicht sicher war, ob ich sie einmal gewußt hatte oder nicht. Wenn einem etwas nicht einfällt, kann man sich meistens wenigstens erinnern, ob man es mal gewußt hat. Ich aber konnte nicht einmal das. Sicherlich hatte ich vor meinem Einsatz jene neue Genfer Konvention gelesen, aber sicher war ich dessen nicht.
    Die planetaren Maschinen wurden von vielen, vorwiegend amerikanischen Firmen gebaut. Sie erinnerten in nichts an das von der Industrie bisher Hervorgebrachte, waren weder Fabriken noch Roboter, sondern etwas in der Mitte dazwischen, manche glichen gewaltigen Spinnen. Es wurde natürlich ein Haufen geredet und appelliert, sie nicht zu bewaffnen, ausschließlich für die bergbauliche Erschließung zu verwenden und so weiter, aber als es mit der Verlegung auf den Mond soweit war, zeigte sich, daß jeder Staat, der es sich leisten konnte, bereits über selbstschreitende Abschußrampen und tauchfähige Geschoßwerfer verfügte, über Feuerleitstellen, die sich tief unter die Erde wühlen konnten (die sogenannten Maulwürfe), und kriechende Laserstrahler, Einwegwaffen, deren Lichtbündelsalve durch eine Kernladung ausgelöst wird, die wiederum den Flammenwerfer in einer Gaswolke verglühen läßt. Jeder Staat durfte auf der Erde seine planetaren Maschinen programmieren, die dann von einer speziell zu diesem Zweck geschaffenen Institution, der Lunar Agency, auf den Mond gebracht und in den entsprechenden Sektoren abgesetzt wurden. Man hatte Paritäten vereinbart, wieviel wer wovon dort stationieren durfte, und der gesamte Exodus wurde von internationalen gemischten Kommissionen überwacht. Militär- und Wissenschaftsexperten eines jeden Staates konnten auf dem Mond prüfen, daß ihre Anlagen ausgeladen wurden und normal funktionierten, mußten dann jedoch, alle zur selben Zeit, zur Erde zurückkehren.
    Im zwanzigsten Jahrhundert wäre diese Lösung sinnlos gewesen, weil das Wettrüsten nicht so sehr quantitatives Wachstum als vielmehr innovatorischer Fortschritt war, der damals ausschließlich von den Menschen abhing. Die neuen Geräte indes arbeiteten nach einem anderen Prinzip, das der natürlichen Evolution der Pflanzen und Tiere entlehnt war. Es handelte sich um Systeme, die zur radiativen und divergenten Selbstoptimierung fähig waren.
    Es bereitete mir eine gewisse Genugtuung, daß ich mir das hatte merken können. (Eigentlich konnte man es ja viel einfacher ausdrücken: Jene Systeme waren vermehrungs- und wandlungsfähig.) Und meine rechte Gehirnhälfte, die hauptsächlich interessiert an weiblichen Rundungen und Näschereien und allergisch gegen bestimmte Krawatten ist? War sie derlei Dinge und Probleme überhaupt zu erfassen imstande? Vielleicht hatte ihr Gedächtnis gar keine militärische Bedeutung? Um so schlimmer für mich, falls es sich so verhielt. Ich würde einen tausendfachen Eid ablegen können, daß sie nichts wußte – man würde mir nicht glauben! In die Mangel würde ich genommen, das heißt diese Hälfte, also eben ich, und wenn sie sich auf gütlichem Wege, mit den Zeichen, die ich ihr beigebracht hatte, nichts entlocken ließe, würde sie in strenge Zucht genommen und beharkt, daß einem dafür die Worte fehlen. Mir ging es, je weniger sie wüßte, um so

Weitere Kostenlose Bücher