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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Programmierer eines jeden Staates es zuallererst darauf anlegen würden, die auf den Mond verlagerten Systeme so auszustatten, daß sie sich einer wirksamen Überwachung entziehen konnten – nicht etwa durch einen plumpen Angriff auf die Kontrollsatelliten, sondern ein listigeres, schwerer aufklärbares Manöver durch die Einschaltung in den Funkverkehr und die Fälschung der zur Erde und insbesondere an die Lunar Agency übermittelten Beobachtungsdaten.
    An all das erinnerte ich mich recht gut, und daher fühlte ich mich, als ich mit Tarantoga ins Flugzeug stieg, schon viel ruhiger. Im Sessel zurückgelehnt, kämmte ich weiter mein Gedächtnis durch. Ja, alle hatten begriffen, daß die Unantastbarkeit des Friedens von der Unantastbarkeit der Kontrolle abhing, und nun ging es darum, die letztere hundertprozentig zu gewährleisten. Die Aufgabe sah unlösbar aus, ein regressus ad infinitum : Man konnte ein System schaffen, das die Unangreifbarkeit der Kontrolle überwachte. Da aber auch dieses Ziel eines Angriffs werden konnte, hätte man eine Kontrolle der Kontrolle der Kontrolle einrichten müssen, etwas, das kein Ende nahm. In dieses Loch ohne Boden trieb man dennoch einen ganz simplen Zapfen. Der Mond wurde von zwei Überwachungszonen umhüllt: Die mondnähere wachte über die Unantastbarkeit der Sektoren, die mondfernere über die Unantastbarkeit dieser ersteren. Schlußstein der Sicherheit sollte die absolute Unabhängigkeit beider Systeme von der Erde sein. Damit würde das Wettrüsten auf dem Mond unter dem Siegel kompletter Geheimhaltung vor allen Staaten und Regierungen ablaufen. Die Rüstungen durften Fortschritte machen, die Überwachung jedoch nicht. Diese sollte unverändert hundert Jahre bestehenbleiben. Eigentlich sah das alles völlig irrational aus. Jede Macht wußte, daß ihr Mondarsenal sich anfüllte, aber sie wußte nicht, wie. Folglich konnte sie daraus keinerlei politischen Nutzen ziehen, und man hätte im Grunde zur vollständigen Abrüstung schreiten und sich die Komplikationen mit dem Mond ersparen sollen, aber davon konnte keine Rede sein. Das heißt, geredet worden war darüber schon immer, seit dem Frührot der Menschheitsgeschichte, und die Ergebnisse sind bekannt. Als das Projekt einer Demilitarisierung der Erde und Militarisierung des Mondes akzeptiert wurde, war natürlich klar, daß früher oder später Versuche unternommen würden, die Doktrin der Unkenntnis zu unterlaufen. In der Tat berichteten die Zeitungen unter riesigen Schlagzeilen immer mal wieder von Erkundungsautomaten, die entweder noch rechtzeitig entkommen oder von Abfangsatelliten erwischt worden waren. Jede Seite beschuldigte daraufhin die andere der Entsendung solcher Kundschafter, deren Herkunft und Identität aber nicht auszumachen war, weil ein elektronischer Beobachter kein Mensch ist: Wenn er nur entsprechend konstruiert ist, läßt er sich auf keine Weise ausquetschen. Später ließ das Auftreten solcher anonymen Aufklärer oder Himmelsspione nach, die Menschheit atmete auf, zumal das Ganze auch eine ökonomische Seite hatte. Die Mondrüstungen hingegen kosteten keinen Heller, die Sonne lieferte die Energie, der Mond die Rohstoffe. Letzteres sollte die Rüstungsevolution zusätzlich in Grenzen halten: Auf dem Mond gibt es keine Erzlagerstätten.
    Die Generalstäbler aller Seiten wollten erst auf das Projekt nicht eingehen, weil ihrer Ansicht nach eine Waffe, die den Bedingungen auf dem Monde angepaßt ist, auf Erden allein durch das Vorhandensein der Atmosphäre untauglich werden kann.
    Ich weiß nicht mehr, wie der Mond seine Endlast erhielt, obgleich man mir auch das sicherlich in der Lunar Agency erklärt hatte. Ich saß mit Tarantoga in einer Maschine der British Airways , draußen herrschte ägyptische Finsternis, ich wurde mir auf einmal bewußt, daß ich keine Ahnung hatte, wohin wir flogen. Es bereitete mir Erheiterung, und ich hielt es sogar für richtig, Tarantoga nicht zu fragen. Wahrscheinlich war es ohnehin sicherer, mich von ihm zu trennen – in meiner beschissenen Lage war es für mich das beste, die Klappe zu halten und mich auf mich selber zu verlassen. Beruhigend war das Bewußtsein, daß sie nicht erfahren konnte, was ich dachte. Als hätte ich im Kopf einen Feind, obwohl ich doch wußte, daß es ein solcher nicht war.
    Die Lunar Agency war ein überstaatliches Organ und wurde von der UNO gestellt. Sie hatte sich aus einer recht spezifischen Ursache an mich gewandt. Das doppelte

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