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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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einen ragte aus dem Sand etwas hervor wie ein dicker dürrer Ast. Ich packte den Sturzel und zog daran, wie man eine Wurzel aus dem Boden zu reißen sucht. Dann half ich mir erst einmal, indem ich mit dem zusammenklappbaren Feldspaten, den ich an der Seite trug, den lockeren Grus wegräumte. Metall trat zutage, von Hitze zerstört. Es konnte der Rest einer jener unzähligen primitiven Raketen sein, die in diesen Felsen zerschellten, als die Eroberung des Mondes begann. Ich meldete mich nicht bei der Zentrale, dank den Mikropen sah man ja selber, was ich da gefunden hatte. Ich zerrte und zog an den wunderlich verbogenen Stäben, bis ein stärkerer Stiel erschien, unter dem das Metall heller glänzte. Sehr verheißungsvoll sah das nicht aus, aber da ich diese Rodung nun einmal angefangen hatte, zog ich immer stärker, ohne Furcht, daß eine der scharfen Spitzen mir den Raumanzug zerreißen könnte. Ich kam ja ohne Luft aus, und ein Druckverlust bedeutete für mich keine Gefahr. Trotzdem hatte sich etwas geändert. Zunächst kam ich gar nicht dahinter, warum es mir so schwerfiel, das Gleichgewicht zu halten, bis ich merkte, daß mein linker Stiefel in einer Zange zwischen zwei abgeflachten, gekrümmten Bolzen steckte. Ich gab mir alle Mühe, ihn herauszubringen, weil ich glaubte, selbst hineingetreten zu sein, aber die Klammer schloß fest und ließ sich auch mit dem Spatenblatt nicht aufbiegen.
    »Ist Vivitch da?« fragte ich.
    Er meldete sich nach drei Sekunden.
    »Mir scheint, man hat mich mit einem Dachs verwechselt«, sagte ich. »Das sieht mir aus wie ein Fangeisen.«
    Es war das letzte! Ich steckte in einem Eisen, in einer Falle, wie sie es primitiver gar nicht geben konnte, und kam nicht heraus! Die Mikropen umschwärmten mich wie aufgescheuchte Fliegen, während ich schwitzend mit den Backen des Schraubstocks kämpfte, zwischen denen mein Stiefel klemmte.
    »Geh an Bord zurück«, hörte ich jemandes Vorschlag. Es kann Vivitch, aber auch einer seiner Assistenten gewesen sein, denn die Stimme klang irgendwie verändert.
    »Wenn ich wegen solchem Mist einen Sendling einbüßen soll, werden wir nicht weit kommen«, sagte ich. »Ich muß das auseinanderkriegen!«
    »Du hast eine Karborundkreissäge.«
    Ich schnallte das flache Futteral vom Oberschenkel. Tatsächlich steckte darin eine handliche Kreissäge. Ich schloß ihr Kabel an den Stecker im Raumanzug an und beugte mich nieder. Unter der wirbelnden Scheibe stoben Funken hervor; fast durchsägt, löste sich die Klammer, die mich um den Knöchel gepackt hielt, als ich mit dem Fuß, der in dem Stiefel steckte, zunehmende Hitze spürte. Mit aller Kraft suchte ich den Fuß aus der Fessel zu reißen, ich sah, wie die kartoffelgroße metallene Knolle, aus der die wurzelähnlichen Stäbe ragten, von unsichtbarem Feuer zum Glühen gebracht wurde. Mein weißer Plaststiefel wurde schon schwarz und trieb von der Hitze Blasen. Ich unternahm einen letzten Versuch, kam frei und taumelte von dem Ruck nach hinten. Ein Feuerbusch blendete meine Augen, ein heftiger Stoß traf meine Brust, ich hörte den Raumanzug reißen und tauchte für einen Moment in undurchdringliche Finsternis. Ich verlor nicht das Bewußtsein, ich steckte einfach nur im Dunkeln. Dann hörte ich die Stimme Vivitchs: »Tichy, du bist an Bord. Bitte melden! Der erste Sendling ist im Eimer.«
    Blinzelnd öffnete ich die Augen. Ich saß im Sessel, das Haupt an der Kopfstütze, die Beine seltsam an den Leib gekrümmt. Die Hände hielt ich an die Brust gedrückt, dorthin, wo ich eben den jähen Schlag gespürt hatte. Es war Schmerz gewesen, wie ich mir erst jetzt klarmachte.
    »War das eine Mine?« fragte ich verwundert. »Eine Mine, mit einem Fangeisen gekoppelt? Auf etwas Schlaueres sind sie noch nicht gekommen?«
    Ich hörte Stimmen, aber keiner sprach mit mir: es ging um die Mikropen.
    »Das Bild ist weg«, sagte jemand.
    »Was denn, von der einen Explosion sind sie alle draufgegangen?«
    »Das ist unmöglich.«
    »Ich weiß nicht, ob es möglich ist oder nicht, das Bild ist jedenfalls weg.«
    Ich atmete immer noch tief durch wie nach einem langen Lauf und betrachtete die Scheibe des Mondes. Den ganzen Flamsteed und die Ebene, auf der ich in so dummer Weise den Sendling verloren hatte, konnte ich mit der Kuppe eines Fingers verdecken.
    »Was ist mit den Mikropen?« meldete ich mich schließlich.
    »Das wissen wir nicht.«
    Ich sah zur Uhr und staunte: Ich hatte fast vier Stunden auf dem Mond zugebracht. Es

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