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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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war sie weg. Eben hatte sie noch dagesessen, den Ellenbogen auf das angezogene Knie gestützt und eine Strähne Blondhaar um die Finger gewickelt, nun war sie wie weggeblasen, und mit ihr jede Spur ihres Körpers. Nur der Stein drehte sich noch einmal langsam um sich selbst, ein Wölkchen Sand setzte sich wieder auf den grauen Felsboden.
    Ich war wieder allein. Ich erhob mich, zuerst auf die Knie, dann zu voller Größe.
    »Tichy!« meldete sich Vivitch, der mein Schweigen offenbar nicht mehr ertragen konnte. Seine Stimme machte mir bewußt, daß sie die ganze Szene mit angesehen haben mußten. Schließlich hing über mir ja ein ganzer Schwarm von Mikropen.
    »Tichy! Wir haben kein Bild mehr! Was ist los?«
    »Ihr habt kein Bild ?« fragte ich langsam.
    »Nein. Wir hatten vierzig Sekunden lang eine Störung. Die Techniker haben unsere Apparatur überprüft, hier ist alles in Ordnung. Sieh genau hin, du mußt sie sehen können.«
    Er meinte die Mikropen. Sie sind klein wie Mücken, aber in der Sonne tatsächlich auf weite Entfernung sichtbar, weil sie dann wie Funken blitzen. Ich suchte gegen die Sonne den ganzen schwarzen Himmel ab, sah aber nicht das kleinste Fünkchen. Dafür bemerkte ich etwas anderes, viel Merkwürdigeres: Es fing an zu regnen. Dunkle kleine Tropfen fielen spärlich bald hier, bald dort in den Sand. Einer glitt mir über den Helm, ich fing ihn auf, ehe er herunterfiel. Es war ein Mikrop, geschwärzt, wie in starker Glut zu einem Metallkügelchen geschmolzen. Der Regen fiel, wenngleich spärlicher, immer noch, als ich es Vivitch sagte. Nach drei Sekunden hörte ich ihn fluchen.
    »Geschmolzen?«
    »So sieht es aus.«
    Es war logisch. Wenn das Manöver mit dem Mädchen Erfolg haben, also die Glaubwürdigkeit meiner Meldung untergraben sollte, so hatte die Erde nichts davon sehen dürfen.
    »Wie steht es mit der Reserve?« fragte ich.
    Die Mikropen standen unter der direkten Kontrolle der Telektroniker. Ich hatte auf ihre Bewegungen keinen Einfluß. Im Raumschiff befanden sich noch vier Mikropeneinheiten in Reserve.
    »Die zweite Welle ist ausgelöst. Warte!«
    Vivitch hatte sich vom Mikrofon abgewandt und sprach mit jemandem, ich hörte nur ferne Stimmen.
    »Vor zwei Minuten abgeworfen«, sagte er. Er keuchte.
    »Ist das Bild wieder da?«
    »Ja. He, wieviel ist es auf den Telemetern? Tichy, wir sehen schon den Flamsteed, sie gehen hinunter. Dich werden wir auch gleich … Was ist das?«
    Die Frage war zwar nicht an mich gerichtet, aber ich konnte sie beantworten, weil es wieder geschmolzene Mikropen regnete.
    »Radar!« schrie Vivitch, auch das galt nicht mir, war aber so laut, daß ich alles mithören konnte. »Was? Die Bildauflösung ist zu gering? Ach so … Tichy!«
    Nun war ich wieder dran.
    »Hör zu, wir haben dich elf Sekunden lang gesehen, von oben. Jetzt ist wieder alles weg. Du sagst, sie sind geschmolzen?«
    »Ja, wie in einem Tiegel. Aber er muß stark erhitzt worden sein, denn das ist nur noch schwarze Schlacke.«
    »Wir probieren es noch einmal, jetzt mit einer Schleppe!«
    Das hieß, daß den ersten ausgeworfenen Mikropen weitere folgten, um das Schicksal der vorausfliegenden zu beobachten. Ich erwartete nichts von diesen ganzen Versuchen. Die Mikropen waren hier von früheren Erkundungen bekannt, man wußte, wie man mit ihnen fertig wurde: durch induktive Erhitzung, eine Zone, in der jedes Metallteilchen durch die Foucaultschen Wirbelströme in Brand geriet – sofern ich meinen Physikunterricht nicht vergessen hatte. Übrigens kam es mir auf den Mechanismus der Zerstörung nicht weiter an. Die Mikropen erwiesen sich als untauglich, obwohl sie so großartig der Entdeckung durch Radar entgingen. Sie waren ein neuer, vervollkommneter Typ, nach dem Prinzip des Insektenauges gebaut, dessen Ommatidia, die prismatischen Facetten, aber so gestreut, daß jedes einzelne während des Flugs über achthundert Quadratmeter Gelände erfaßte. Das gewonnene Bild war holografisch dreidimensional, farbig und selbst dann scharf, wenn drei Viertel eines Schwarms ausfielen. Der Mond war mit diesen Tricks aber sichtlich wohlvertraut – keine vorteilhafte Erkenntnis, aber freilich auch zu erwarten. Wenn mir etwas ein Rätsel blieb, so war es der Umstand, daß ich immer noch heil und unversehrt hier herumkroch. Warum hatte man, da man imstande war, mit Leichtigkeit diese ganzen Mikropen wegzuputzen, nicht einfach auch mich abgetan, als nach meiner Landung die Spiegelfalle versagt hatte? Warum kappte

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