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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sich darauf nieder. Die Blumen ließ sie aus der Hand gleiten, sie sahen mit ihrem Rot, Gelb und Blau sehr sonderbar aus in dieser Landschaft von totem, hellem Grau. Sie kehrte mir die Seite zu, und ich dachte mit einer Anstrengung, als sollte mir gleich das Gehirn brodeln, darüber nach, was ihre Schöpfer oder Urheber jetzt von mir, dem Menschen, erwarteten und was ich daher unter keinen Umständen tun durfte.
    Hätte ich Vivitch gemeldet, wer mir da über den Weg gelaufen war, so wäre das nach dem Sinn der Hiesigen gewesen, denn er hätte mir nicht geglaubt, weder er noch ein anderer in der Zentrale. Das hätten sie mir selbstverständlich nicht gesagt, sondern mir in der Auffassung, daß ich Halluzinationen habe, Anweisung gegeben, den Sendling Nummer 1 als tote Hülle zurückzulassen, an Bord zurückzukehren und Ziel Nummer Null Null Zwei oder Drei auf der anderen Mondhalbkugel anzusteuern, um eine erneute Landung vorzunehmen. Zwischendurch würden sie eilig ein psychiatrisches Konsilium einberufen, um festzulegen, was der übergeschnappte Ijon Tichy schleunigst aus der Bordapotheke einzunehmen habe. Sie war randvoll, aber ich hatte noch nicht einmal hineingeguckt. Ich würde gegenüber meinen irdischen Auftraggebern unglaubwürdig und damit zu neunzig Prozent die Chancen meines Erkundungsunternehmens zunichte machen. Das aber wäre den Schöpfern der Fata Morgana eben recht, weil es ihr Wirken vor der Erde ebenso erfolgreich verbergen würde wie die vorherige Liquidierung der Satellitenkontrolle über den Mond.
    Die Zentrale durfte ich also nicht rufen, auch ein Flirt kam nicht in Frage. Die mußten hier wohl genug über Menschen wissen, um nicht zu erwarten, daß ein lebendiger Kundschafter in einem Mondkrater anfängt, Komplimente an ein nacktes Mädchen zu drechseln. Er würde jedoch unweigerlich zu ihr hingehen, um sie aus der Nähe zu betrachten und sich zu überzeugen, ob sie aus Fleisch und Blut ist. Das konnte sie letzten Endes ja sein, ein materielles Wesen, nicht nur holografische Projektion. Gewiß, ein richtiges Mädchen war sie nicht, aber wenn ich sie nur anfaßte, konnte es sein, daß ich diese Berührung nicht überlebte. Eine Mine, perfektioniert im Sinne der Kenntnisse, die man über den den Menschen eigenen Sexualtrieb gewonnen hatte. Ich steckte in der Klemme. Der Zentrale Meldung zu machen war schlecht. Es nicht zu tun war übel. Eine nähere Beschäftigung mit der Sirene war gefährlich und lächerlich. Folglich mußte ich tun, was beim Anblick einer nackten blonden Schönheit kein Mann tun würde, weder auf der Erde noch auf dem Mond.
    Ich mußte etwas tun, was die Programme dieses Hinterhalts nicht vorsahen, also hielt ich Umschau und sah einen großen Felsblock, einen in zwei Teile geborstenen Brocken, hinter dem ich mich vollständig verstecken konnte. Er war ein reichliches Dutzend Schritte entfernt, ich tat, als wüßte ich nicht, wohin ich ging, und näherte mich ihm, immer selbstvergessen das Mädchen anstarrend. Kaum steckte ich hinter dem Felsen, wurden meine Bewegungen blitzschnell. Ich hob einen großen Stein auf, einen rauhen Brocken, der auf der Erde gut fünf Kilo gewogen hätte. Er war hart und leicht wie ein versteinerter Schwamm. Ich wog ihn in der Hand. Soll ich nach ihr werfen oder nicht – das ist die Frage, dachte ich und musterte die Sitzende. Sie lehnte mit dem Rücken an der Schräge des Felsens, als nähme sie ein Sonnenbad. Ich sah genau die rosa Brustwarzen, auch waren die Brüste weißer als der Bauch, wie bei einer Frau, die gewöhnlich einen Bikini trägt.
    In meinem Schädel brodelte es jetzt wirklich. Den Zweck dieses Schauspiels begriff ich sehr gut. Stellt euch die Reaktion eines Kommandeurs vor, dem ein Artilleriebeobachter übers Feldtelefon meldet, die Geschütze der feindlichen Batterie verwandelten sich vor seinen Augen soeben in Kleinkinder, die sich in ihren Wiegen schaukelten! Wäre einfach meine Funkverbindung unterbrochen worden, dann wüßten sie in der Zentrale wenigstens, daß Tichy Schwierigkeiten hat, aber wenn ich jetzt erklärte, ich versteckte mich vor einem nackten Mädchen, offenbarte das meine Geistesverwirrung bei intaktem Funkkontakt. Peinlich. Ich wußte nicht weiter und warf den Stein. Er flog langsam, beinahe endlos, traf das Mädchen an der Schulter, fuhr durch sie hindurch und grub sich vor ihren nackten Füßen in den Sand. Ich erwartete eine Explosion, aber es passierte nichts. Ich blinzelte mit den Augen, und plötzlich

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