Friedhof der Kuscheltiere
Louis, du würdest meinen Vater kaum wiedererkennen, wirklich.«
»Den würde ich wiedererkennen«, murmelte Louis.
»Bitte, Liebling. Versuch es zu verstehen. Versuch, nett zu sein. Es tut dir doch nicht weh.«
Er sah sie eine ganze Weile an. »Doch, das tut es«, sagte er schließlich. »Das sollte es vielleicht nicht, aber es tut trotzdem weh.«
Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung, und dann rief Ellie aus ihrem Schlafzimmer: »Daddy! Mommy! Kommt doch mal!«
Rachel wollte aufstehen, aber Louis zog sie wieder herunter. »Bleib bei Gage. Ich sehe nach.« Er glaubte zu wissen, was los war. Aber schließlich hatte er den Kater vor die Tür gesetzt, verdammt nochmal; nachdem Ellie zu Bett gegangen war, hatte er ihn in der Küche bei seinem Napf gefunden und hinausgesetzt. Er wollte nicht, daß der Kater bei ihr schlief. Jetzt nicht mehr. Ungereimte Gedanken an Krankheiten, untermischt mit Erinnerungen an Onkel Carls Bestattungsinstitut, waren ihm durch den Kopf gegangen, als er sich vorstellte, daß Church auf Ellies Bett schlief.
Sie wird herausfinden, daß etwas nicht stimmt und daß Church früher anders war.
Er hatte den Kater vor die Tür gesetzt, aber als er hereinkam, saß Ellie mehr schlafend als wach in ihrem Bett, und Church lag lang ausgestreckt auf der Decke, ein fledermausähnlicher Schatten. Seine Augen waren offen und funkelten dümmlich in dem vom Korridor einfallenden Licht.
»Daddy, bring ihn hinaus.« Ellie stöhnte fast. »Er stinkt so fürchterlich.«
»Still, Ellie, schlaf weiter«, sagte Louis, erstaunt über die Gelassenheit seiner eigenen Stimme. Er dachte dabei an den Morgen nach seinem Schlafwandeln, am Tag nach Pascows Tod. Wie er in die Krankenstation gekommen und gleich ins Badezimmer geeilt war, um sich selbst im Spiegel zu betrachten, überzeugt, er sähe katastrophal aus. Aber ihm war kaum etwas anzusehen gewesen. Und das brachte ihn auf die Frage, wie viele Leute wohl mit einem gräßlichen Geheimnis herumliefen, das sie in sich verschlossen hatten.
Es ist kein Geheimnis, verdammt nochmal! Es ist nur der Kater!
Aber Ellie hatte recht. Church stank zum Himmel.
Er holte den Kater aus ihrem Zimmer, trug ihn die Treppe hinab und versuchte dabei durch den Mund zu atmen. Es gab schlimmere Gerüche; Scheiße war schlimmer, wenn man es grob heraussagen wollte. Vor einem Monat waren sie an der Klärgrube gewesen, und Jud war herübergekommen, um zuzusehen, wie Puffer und Söhne die Grube auspumpten, und er hatte gesagt: »Das ist nicht gerade Chanel Nummer fünf, nicht wahr, Louis?« Auch der Gestank einer brandigen Wunde -- das, was der alte Doktor Bracermunn an der Universität immer »heißes Fleisch« genannt hatte -- war schlimmer. Sogar der Geruch, der von der Auspuffanlage des Honda ausging, wenn er in der Garage eine Weile im Leerlauf gearbeitet hatte, war schlimmer.
Aber auch dieser Geruch war ziemlich schlimm. Und wie war der Kater überhaupt hereingekommen? Er hatte ihn vor die Tür gesetzt, ihn mit dem Besen hinaus gescheucht, während alle drei -- seine ganze Familie -- oben waren. Seit dem Tag vor fast einer Woche, an dem er zurückgekommen war, hatte er ihn jetzt zum ersten Mal wieder richtig angefaßt. Er lag heiß in seinen Armen, wie eine schleichende Krankheit, und Louis dachte: Welches Schlupfloch hast du gefunden, du Mistvieh?
Ihm fiel plötzlich sein Traum in jener Nacht ein -- wie Pascow einfach durch die Tür zwischen Küche und Garage hindurchgegangen war.
Vielleicht gab es gar kein Schlupfloch. Vielleicht war er einfach durch die Tür hindurchgegangen wie ein Gespenst.
»Schluß damit!« flüsterte er hörbar, und seine Stimme klang heiser.
Plötzlich war Louis sicher, daß der Kater gleich anfangen würde, sich in seinen Armen zu winden, ihn zu kratzen. Aber Church lag vollkommen still, strahlte diese widersinnige Hitze und diesen schmutzigen Gestank aus und blickte Louis ins Gesicht, als könne er die Gedanken hinter Louis' Augen lesen.
Er öffnete die Tür und warf den Kater in die Garage, vielleicht ein wenig zu grob. »Verschwinde«, sagte er. »Schlachte eine Maus oder sonst etwas.«
Church landete unbeholfen, seine Hinterbeine knickten unter ihm ein. In dem Blick, den er Louis zuwarf, schien grüner, gemeiner Haß zu liegen. Dann torkelte er wie betrunken davon und war verschwunden.
Ich wünschte bei Gott, Sie hätten den Mund gehalten, Jud, dachte Louis.
Er trat an die Spüle und wusch sich Hände und Unterarme so energisch, als
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