Friedhof der Kuscheltiere
lag immer noch auf seiner Brust.
»Louis!« Das war Rachel, und ihre Stimme klang bestürzt. »Louis, kannst du kommen?«
Ihre Stimme klang mehr als bestürzt; sie klang verängstigt, und das Weinen hatte jetzt etwas Ersticktes an sich. Es war Gage.
Er öffnete die Augen und blickte in Churchs grünlichgelbe Augen. Sie waren kaum zehn Zentimeter von den seinen entfernt. Der Kater lag auf seiner Brust, lag da wie ein Wechselbalg aus irgendeiner Altweibergeschichte. Sein Gestank kam in langsamen, giftigen Schwaden. Er schnurrte.
Louis schrie auf, entsetzt und überrascht. Seine Hände fuhren in einer primitiv abwehrenden Geste vor. Church sprang vom Bett, landete auf der Seite und torkelte unbeholfen davon.
Oh Gott! Gott! Er lag auf mir! Großer Gott, er lag direkt auf mir!
Sein Ekel hätte nicht größer sein können, wenn er mit einer Spinne im Mund aufgewacht wäre. Einen Augenblick war ihm, als müßte er sich übergeben.
»Louis!«
Er warf die Decken zurück und stolperte zur Treppe. Aus ihrem Schlafzimmer drang ein schwacher Lichtschimmer. Rachel stand im Nachthemd am oberen Treppenende.
»Louis, er bricht wieder -- er erstickt daran -- ich habe Angst.«
»Ich komme schon«, sagte er, ging die Treppe hinauf und dachte : Er ist hereingekommen. Irgendwie ist er hereingekommen. Durch den Keller vermutlich. Vielleicht ist da eine Scheibe zerbrochen. Da muß eine Scheibe kaputt sein. Ich sehe nach, wenn ich morgen abend nach Hause komme. Nein, bevor ich weggehe. Ich...
Gage hörte auf zu weinen; stattdessen kam ein bedrohlich ersticktes Gurgeln.
»Louis!« schrie Rachel.
Louis stürzte hinauf. Gage lag auf der Seite, und Erbrochenes sickerte aus seinem Mund auf ein altes Handtuch, das Rachel neben ihm ausgebreitet hatte. Ja, er erbrach sich, aber nicht genug. Der größte Teil steckte noch in ihm, und der Beginn eines Erstickungsanfalls rötete sein Gesicht.
Louis packte den Jungen unter den Armen, registrierte in seinem Unterbewußtsein, wie heiß sich die Achselhöhlen seines Sohnes unter dem Schlafanzug anfühlten, und hob ihn wie zum Aufstoßenlassen an seine Schulter. Dann schnellte Louis nach hinten und riß Gage mit. Gages Kopf flog nach vorn. Er gab ein lautes, hustenähnliches Geräusch von sich, kein eigentliches Aufstoßen, und ein erstaunlicher Brocken von fast festem Mageninhalt flog aus seinem Mund und klatschte auf den Fußboden und die Kommode. Gage begann wieder zu schreien, so kräftig und lautstark, daß es Louis wie Musik in den Ohren klang. Ein solches Geschrei war nur bei unbehinderter Sauerstoffzufuhr möglich.
Rachels Knie gaben unter ihr nach, und sie sank aufs Bett, den Kopf in die Hände gestützt. Sie zitterte heftig. »Er wäre fast gestorben, nicht wahr, Louis? Er wäre fast -- oh, mein Gott...«
Louis wanderte mit seinem Sohn auf dem Arm durchs Zimmer. Gages Schreien ging in ein leises Wimmern über; er war schon fast wieder eingeschlafen.
»Die Chancen, daß er es selbst ausgewürgt hätte, standen fünfzig zu fünfzig, Rachel. Ich habe nur ein bißchen nachgeholfen.«
»Aber er war dem Tod nahe«, sagte sie. Sie blickte zu ihm auf, und ihre übernächtigten Augen waren ungläubig und fassungslos. »Louis, er war dem Tod so nahe.«
Plötzlich erinnerte er sich, wie sie ihn in der sonnigen Küche angeschrien hatte: Er wird nicht sterben, niemand von uns wird sterben.
»Liebling«, sagte Louis. »Wir alle sind dem Tod nahe. Zu jeder Zeit.«
Aller Wahrscheinlichkeit nach war es die Milch gewesen, die das neuerliche Erbrechen ausgelöst hatte. Gage war gegen Mitternacht aufgewacht, ungefähr eine Stunde, nachdem Louis zu Bett gegangen war, hatte sein »Hungergeschrei« von sich gegeben, und Rachel hatte ihm eine Flasche geholt. Während er noch trank, war sie wieder eingenickt. Ungefähr eine Stunde später hatte das Würgen eingesetzt.
»Keine Milch mehr«, sagte Louis, und Rachel willigte fast demütig ein. Keine Milch mehr.
Gegen Viertel nach zwei ging Louis wieder hinunter und verbrachte fünfzehn Minuten mit der Suche nach dem Kater. Dabei stellte er fest, daß die Tür zwischen Küche und Keller offenstand, wie er vermutet hatte. Ihm fiel ein, daß ihm seine Mutter einmal von einer Katze erzählt hatte, die sehr geschickt darin war, altmodische Riegel wie den an der Kellertür zu öffnen. Die Katze sprang einfach an der Tür hoch und drückte den Riegel so lange mit der Pfote nieder, bis die Tür offen war. Ein guter Trick, dachte Louis, aber Church würde ihn
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