Friedhof der Verfluchten
Und irgendwie glaubte ich daran, jetzt in der Gegenwart zu sein, in meiner Zeit, denn die Umgebung um mich herum hatte sich verändert.
Zwar sah ich noch immer die alten Grabsteine, dahinter das Dorf, dann die Bäume und last not least die trutzige Burg auf dem Hügel, aber die Menschen waren verschwunden. Dabei hatte ich Reiter gesehen, wahrscheinlich Soldaten, Schergen eines mächtigen Herrschers, hatte Schreie gehört, im Moment jedoch war es still.
Die Menschen waren verschwunden!
Damit musste ich fertig werden, kam aus der Hocke hoch, spürte meine zitternden Knie und hörte auch, wie das Blut in meinem Kopf rauschte. Dieser Zeitenwechsel hatte mich doch ein wenig durcheinandergebracht, das musste ich zugeben.
Wie ging es weiter?
Wieder schaute ich zurück. Abermals wurde mein Blick getrübt. Ich sah die andere Umgebung nicht, sondern war noch immer ein Gefangener der unheimlichen Stadt Brigadoon und des Friedhofs der Verfluchten. Nur in der Gegenwart!
Ich blickte auf meine Uhr, sah den Sekundenzeiger laufen. Alles war normal und hatte sich auch zuvor so schnell abgespielt, dass ich eine Zeitunterbrechung messbar nicht fassen konnte.
Wieder machte ich eine neue Erfahrung. Und ich schüttelte mich, als ich daran dachte, denn ich mochte es irgendwie nicht, dass ich Kräften ausgesetzt wurde, die ich nicht kontrollieren konnte. Dies jedoch schien nun vorbei zu sein. Hoffentlich… Meine Gedanken kehrten wieder zurück in die Realität. Ich konnte hier nicht ewig stehen bleiben, sondern musste mich daran begeben, meine nähere Umgebung zu untersuchen. Ich wollte feststellen, welche Schrecken der Friedhof der Verfluchten noch bereithielt. Das Gräberfeld lag vor mir. Unheimlich sah es schon aus. Grabsteine, die auf der düsteren Erde wuchsen und einfach nur dastanden, als stumme, irgendwie drohende Gebärde.
Mir fiel auf, dass sich innerhalb des gesamten Friedhofs kein einziges christliches Symbol befand, was mich nun überzeugte, dass es sich bei dem Friedhof um entweihte Erde handelte. Wer hier lag, der gehörte zu den Ausgestoßenen, Entrechteten, der war kurzerhand unter der dunklen Erde verscharrt worden.
Kaum hatte ich die ersten Grabsteine erreicht, als ich abrupt stehen blieb. Da hatte sich etwas bewegt!
Jenseits des Friedhofs, wo ein großer Baum mit kahlen Ästen stand, glaubte ich, eine Gestalt zu sehen. Leider war das Licht doch nicht gut genug, denn als ich zum zweitenmal hinschaute, war von der Gestalt nichts mehr zu sehen.
Ein Tier - oder ein Mensch?
Sekunden verrannen. Ich hatte meine Beretta gezogen und legte die Hand mit der Waffe auf den breiteren oberen Rand eines Grabsteins. Wenn sich dort tatsächlich jemand aufhielt, dann hatte mich dieser jemand, ob Freund oder Feind, das wusste ich nicht, wahrscheinlich auch entdeckt und war nun in Deckung gegangen.
Als sich nach einer Weile niemand mehr zeigte, ging ich weiter. Meine Jacke schleifte an den Seitenkanten der Grabsteine entlang, ich zerstörte alte Spinnweben, die als dünne Bänder oft von Stein zu Stein hingen. Die Erde war weich, nachgiebig, ich sackte bei jedem Schritt fast bis zu den Knöcheln ein. Gestrüpp wuchs in den Zwischenräumen, auch Gras. Unkraut, in dem sich Kriechtiere aufhielten.
»Lass mich!«
Urplötzlich hörte ich die beiden entsetzt und voller Angst ausgestoßenen Worte der Frau. Danach ein Schrei.
Im nächsten Augenblick explodierte ich förmlich… Gewaltige Sprünge brachten mich über den alten Totenacker. Ungefähr hatte ich mir die Stelle merken können, wo die Schreie aufgeklungen waren. Und zwar rechts von mir, wo ebenfalls die hohen Grabsteine aus der Erde schauten. Und dort sah ich auch die Gestalt. Sie erschien aus der Deckung eines Steins, und ich war so überrascht, dass ich im ersten Augenblick stehen blieb.
Die Frau kannte ich. Es war Modesty Blaine!
Mit allem hatte ich gerechnet. Mit Zombies, Vampiren, Ghouls, aber nicht mit der Pressetante des Floren-Konzerns. Wie kam sie auf den Friedhof? Was hatte sie hierher verschlagen? Fragen, auf die sie mir sicherlich später eine Antwort geben konnte, erst einmal ging es darum, ihr beizustehen, denn sie befand sich in Gefahr.
Nicht umsonst hatte sie geschrien, hinter ihr war eine unförmige Gestalt aufgetaucht, die sie um die Länge eines Kopfes überragte. Diese Gestalt mit den eckigen Bewegungen kannte ich nicht, ich wurde jedoch fatal an einen Zombie erinnert.
Ich wusste nicht, ob mich die Frau gesehen hatte, es spielte auch keine Rolle
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