Friedhof der Verfluchten
frei!
Mühsam drehte ich den Kopf zur Seite, atmete die Luft ein, hörte das Schluchzen des Mädchens, spie Dreck aus, spürte meine Kehle kaum noch und übergab mich auch. Ich war fertig.
Und so blieb ich liegen. Ausgepumpt, mit schmerzendem Hals, einem harten Pochen im Kopf und einem Kreislauf, der so ziemlich am Boden lag. Am liebsten hätte ich mich für eine Ewigkeit ausgeruht, das jedoch war nicht drin. Ich befand mich in einer feindlichen Umwelt und konzentrierte all meine Kraft auf das Hochstemmen. Mühsam gelang es mir. Zuerst stützte ich mich auf die Hände, bog dabei die Arme durch, ließ den Kopf nach vorn sinken, atmete röchelnd und keuchend, hustete zwischendurch und spie.
Allmählich wurde es besser. Auch das Zittern meines Körpers ließ nach, alte Kräfte wurden mobilisiert und kehrten zurück. Mir gelang es, mich zuerst auf die Seite zu wälzen und dann langsam in die Höhe zu kommen. Wie ein Betrunkener stand ich schließlich da, schwankte, hob den Arm, wischte über meine Augen und konnte erst jetzt die Umgebung ein wenig besser erkennen.
Ja, ich sah sie. Und ich stellte fest, was geschehen war. Vor meinen Füßen lag der Zombie. Kopfschuss!
Und das Mädchen Modesty Blaine lehnte am Baumstamm, weinte, schluchzte, konnte sich kaum auf den Beinen halten und hatte den rechten Arm gesenkt. In der Hand hielt sie eine Pistole - meine Beretta. Mit ihr hatte sie geschossen und mir somit das Leben gerettet. Modesty hatte genau aufgepasst. Ihr war nicht entgangen, wie ich den Zombie erledigt hatte. Durch einen Schuss in den Kopf… Und noch etwas kam hinzu. Sie hatte ja nicht nur eine lebende Leiche vernichtet, sondern ein Wesen, das als Mensch einmal ihr Chef gewesen war. Welch eine Überwindung musste sie das gekostet haben!
Ich schritt langsam auf Modesty Blaine zu. Meine Schritte waren die eines Kleinkindes. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, zitterte, der Körper stand wie unter Strom, und mein Hals schmerzte zum Zerspringen, so dass es mir unmöglich war, ein klares Wort hervorzubringen.
Modesty blieb stehen. Ihre Beine waren etwas vorgerutscht. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie nur noch einen Stiefel trug. Der Stamm gab ihrem Rücken Halt, sonst wäre sie zusammengebrochen. Sie sah mich zwar, doch der Blick streifte hindurch.
Ich nahm ihr die Beretta aus den Fingern und steckte sie ein. Dann hob ich beide Arme und legte meine Hände rechts und links auf ihre Wangen. So schaute ich sie an.
Zweimal musste ich ansetzen, um überhaupt ihren Namen aussprechen zu können, erst danach schaute sie auf.
»Sie… Sie leben?«
»Ja, Modesty. Und ich möchte mich dafür bedanken.«
»Ich… habe einfach geschossen«, flüsterte sie. »Einfach geschossen. Nur so…« Sie schluchzte und fiel mir entgegen. Ich fing sie auf, und fast hätte sie mich noch von den Beinen gerissen, denn so sicher stand ich auch nicht.
»Geschossen habe ich«, hörte ich ihre Stimme. »Ich habe geschossen, einfach abgedrückt…«
Es war schwer für sie, darüber hinwegzukommen, auch wenn das Opfer ein Zombie und kein Mensch gewesen war. Für das Mädchen hatte ich Verständnis. Ich hätte nicht anders gehandelt als Modesty, aber für mich gehörte so etwas, was sie erlebt hatte, zu meinem Job. Leider, muss ich da noch hinzufügen.
Ich weiß nicht, wie lange wir so gestanden hatten, irgendwann einmal hörte das Zittern ihres Körpers auf. Ich drückte Modesty von mir, und sie setzte sich hin. Auch ich nahm neben ihr Platz und fragte: »Wie fühlen Sie sich?«
»Besser.«
»Das freut mich. Ich möchte Ihnen noch einmal dafür danken, dass…«
»Es war nur die ausgleichende Gerechtigkeit. Sie haben mir ja auch das Leben gerettet.« Sie nahm einen kleinen Stein auf und warf ihn weg. Er prallte gegen einen Grabstein. »Wissen Sie, John, ich darf doch John sagen oder?«
»Natürlich.«
»Also wissen Sie, ich habe, so schrecklich dies auch war, sehr viel gelernt.«
»Inwiefern?«
»Wenn man bedenkt, wo ich herkam oder herkomme und was ich gemacht habe, beruflich, meine ich, sieht plötzlich alles ganz anders aus. Ich habe nur oberflächlich gelebt, für Mode, für Schmuck, für Karriere, was weiß ich nicht alles. Dabei sind die Dinge, die im Leben zählen, doch ganz andere, oder nicht?«
»Da haben. Sie schon recht.« Dieses Thema gehört zwar nicht hierher, aber ich wollte sie sprechen lassen. Sie musste sich etwas von der Seele reden, was ihr vielleicht schon lange auf dem Herzen lag, nur hatte sie bisher
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