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Friedhof der Verfluchten

Friedhof der Verfluchten

Titel: Friedhof der Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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niemand gefunden, der auch zuhören konnte.
    »Ich hatte auch keine Freunde«, sprach sie weiter. »Nur so unheimlich viele Bekannte. Nicht verheiratete. Singles nennt man sie ja wohl. Die waren in der Szene nur in, die kannten sich aus, wussten, wo es die besten Geschäfte in London gab, trugen nur die teuerste Kleidung aus den Nobelboutiquen, und ihr Leben drehte sich um Werbung und verkaufen. Ich will mich da nicht ausschließen und habe mitgemacht. Auch ich geriet in den Sog, den ich anfangs so faszinierend fand. Die ganze Schau, wenn man sich traf. Einmal war das Lokal an der Reihe, dann wieder jenes. Oder die Parties auf der Themse in den warmen Sommernächten, alles gut und schön, doch ich habe auch viele weinen sehen. Es wurde immer getrunken, der Alkohol löste die Hemmungen, und dann sprachen sich manche aus. Männer und Frauen. Es war erschreckend, was hinter dieser grellen, modischen Fassade für eine Einsamkeit herrschte, das, John, können Sie sich kaum vorstellen. Die Menschen lebten nicht so toll, wie sie vorgaben. Sie gingen nur auf Feste und Parties, weil sie vor dem Alleinsein Angst hatten. Dort konnten sie dann den oder die großen Anmacher spielen. Da wurde ich zum erstenmal richtig nachdenklich, dachte über mich nach und kam zu dem gleichen Entschluss. Ich stellte fest, dass mein Leben auch nur in oberflächlichen Bahnen verlief und dass man mich einfach nur benutzte, wie es mein Chef, Lee J. Floren, getan hat.«
    »Wieso benutzte er sie?«
    »Er beutete mich aus. Ich war ein Lakai, ein Diener. In letzter Zeit ist mir das klargeworden. Dann kam die Sache mit diesem Ferienzentrum. Ich machte mit, fest davon überzeugt, dass es sich dabei um ein gutes Programm handelte. Dem war nicht so.«
    »Da haben Sie recht.«
    Modesty hob die Schultern und wandte mir ihr Gesicht zu. »Ab heute sehe ich die Dinge ein wenig anders.«
    Die Aussprache hatte ihr gut getan. Das konnte ich ihr ansehen. Das Gesicht war vom Weinen zwar noch immer gerötet, doch in den Augen lag ein anderer Ausdruck, nicht mehr so deprimierend und verzweifelt. Natürlich brannten auch mir zahlreiche Fragen auf der Zunge, denn ich wollte wissen, weshalb und wieso Modesty und ihr Chef hergefahren waren und wie es überhaupt dazu gekommen war, dass sie Gefangene einer Geisterstadt wurden.
    Als ich ihr die Frage stellte, begann sie zu erzählen. Sie hatte das Talent, einen Vorgang gut schildern zu können, ich brauchte nicht nachzufragen oder nachzuhaken. So wie sie mir berichtete, lief alles plastisch vor meinen Augen ab, und ich konnte mir die entsprechenden Vorstellungen machen.
    »Eine Erklärung habe ich trotzdem nicht«, fügte sie nach ihrem Bericht hinzu.
    »Das kann ich mir gut vorstellen. Auch mir fällt es schwer, für dieses Phänomen eine zu finden.«
    »Dann wissen Sie nichts?«
    »Ich kann es nur raten oder ahnen. Was Sie erlebt haben, Modesty, das hat sich schon einmal abgespielt, und zwar in der Vergangenheit.«
    Der Blick ihrer großen Augen war auf mich gerichtet. »Meinen Sie das jetzt im Ernst?«
    »Ja. Sie haben Vergangenheit erlebt. Die Vorgänge sind bereits abgelaufen und wiederholen sich alle 100 Jahre.«
    »Aber sie waren nicht beendet. Wir befinden doch jetzt nicht mehr in der Vergangenheit.«
    »Nein, das nicht.«
    »Also in der Gegenwart.« Sie legte die Stirn in Falten, über der sich die schwarzen Locken ringelten. »Aber weshalb konnte ich diese schlimmen, lautlosen Morde nicht bis zu ihrem Ende miterleben?«
    »Daran trug ich die Schuld!«
    »Sie?« Modesty schaute mich so ungläubig an, dass ich lachen musste.
    »Ja, ich. Oder vielmehr mein Kreuz. Ich bin mit Hilfe meines Kreuzes in diese Zeit und auf diesen Friedhof hier gelangt und habe, als ich herkam, durch meine Weiße Magie die Zeit zerstört. Die Ebene der Vergangenheit verschwand und wurde von der Gegenwart abgelöst. Supereinfach, dennoch ungeheuer kompliziert.«
    Modesty blies eine Locke aus der Stirn. »Verflixt, John, da sagen Sie was.« Dann schüttelte sie den Kopf. »Trotzdem komme ich nicht mit. Wenn wir uns tatsächlich in der Gegenwart befinden würden, dann müssten wir den Friedhof doch auch verlassen können. Ich könnte den Mercedes sehen, Sie Ihren Wagen…«
    »Wenn das so einfach wäre.«
    »Und wo liegt das Problem?«
    »In der Dimension.«
    »Aha.« Sie sagte es zwar, aber sie verstand es nicht. Es war ja auch kaum zu begreifen.
    »Wir befinden uns, Modesty, zwar in der Gegenwart, dennoch in einer anderen Dimension. Das

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