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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Mittel, um es einzusperren. Kein Gericht der Welt würde uns anhören, kein Gefängnis es aufnehmen. Ich habe keine Lust, auf der Straße umgenietet oder in meinem Bett erschlagen zu werden. Mein Gott, Crumley, ich hasse diese ewige Warterei. Außerdem hättest du seine ‚Stimme hören sollen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es irgendwohin geht, außer in den Tod. Etwas Schreckliches hat es eingeholt, und es muß mit jemandem darüber reden.«
    »Reden!« entfuhr es Crumley. »Etwa auf die Tour: halt mal still, ich will dir die Fresse einschlagen!?«
    »Reden«, sagte ich.
    Ich stand schon auf der anderen Seite des Tores und blickte die lange Straße hinunter, die vor mir in die Dunkelheit führte.
    Die Stationen des Kreuzweges:
    Die Mauer, vor der ich am Abend von Allerheiligen die Flucht ergriffen hatte.
    Green Town, wo ich und Roy wirklich gelebt hatten.
    Halle 13, wo das Monster modelliert und wieder zerstört wurde.
    Die Schreinerei, wo man den Sarg versteckt hielt, bevor man ihn verbrannte.
    Maggie Botwins Klause, an deren Wand Arbuthnots Schatten tanzten.
    Die Kantine, in der die Jünger des Kinos ihr karges Brot brachen und J. C.s Wein tranken.
    Der Kalvarienberg, verschwunden, und die darüber hinwegziehenden Sterne, und Christus, der sich schon lange in sein zweites Grab gelegt hatte, ohne Hoffnung auf ein Fischwunder.
    »Zum Teufel.« Crumley kam mir nach. »Ich begleite dich.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Willst du etwa Wochen und Monate warten und das Monster doch nicht finden? Es würde sich vor dir verstecken. Es hat sich jetzt an mich gewandt, vielleicht, um mir alles über die verschwundenen Menschen zu erzählen. Bekommst du etwa die Erlaubnis, drüben hinter der Mauer Hunderte von Gräbern zu öffnen? Glaubst du, die Stadtverwaltung drückt dir einen Spaten in die Hand, damit du nach J. C., Clarence, Groc und Doc Phillips buddeln kannst? Die werden wir nie im Leben finden, es sei denn, das Monster zeigt uns, wo wir suchen sollen. Also warte auf mich, am Haupteingang des Friedhofs. Geh von mir aus acht- oder zehmal um den Block. Vielleicht komme ich ja zum einen oder anderen Ausgang schreiend herausgerannt, vielleicht aber auch ganz gemütlich herausspaziert.«
    »Von mir aus«, sagte Crumley mit belegter Stimme. »Dann laß dich halt umbringen!« Er seufzte. »Verdammt. Hier.«
    »Eine Pistole?« schrie ich. »Ich habe Angst vor Schußwaffen!«
    »Nimm sie mit. Steck die Pistole in die eine Tasche und die Patronen in die andere.«
    »Nein!«
    »Du nimmst sie!« Crumley streckte sie mir entgegen.
    Ich nahm sie an.
    »Komm als Ganzes zurück!«
    »Jawohl, Sir«, sagte ich.
    Dann ging ich los. Das Studio sog mich in sich auf. Ich spürte, wie ich in der Nacht versank. Jeden Augenblick würden die verbliebenen Gebäude wie umgemähte Elefanten in die Knie gehen, ein Fraß für die Hyänen, Knochen für die Raubvögel der Nacht.
    Ich ging die Straße hinunter, in der Hoffnung, Crumley würde mich zurückrufen. Stille.
    An der dritten Querstraße blieb ich stehen. Ich wollte hinüberschauen nach Green Town; doch ich ließ es bleiben. Falls die Dampfhämmer und die Termiten die Kuppeln und Erker, die Dachböden und Weinkeller bereits zertrümmert und aufgefressen hatten, dann weigerte ich mich einfach hinzusehen.
    Vor dem Verwaltungsgebäude brannte ein einziges winziges Licht.
    Die Tür war nicht verriegelt.
    Ich atmete tief durch und trat ein.
    Narr. Idiot. Blödmann. Schwachkopf.
    Ich murmelte die Litanei vor mich hin, während ich die Treppe emporstieg.
    Ich drehte den Türknopf. Die Tür war verschlossen.
    »Gott sei Dank!« Ich wollte mich gerade aus dem Staub machen, als …
    Die Riegel klickten.
    Die Tür zum Büro schwang auf.
    Die Pistole, dachte ich. Ich tastete nach der Waffe in der einen und den Patronen in der anderen Tasche.
    Ich setzte einen Fuß über die Schwelle.
    Das Büro wurde nur von einem Lichtkegel erleuchtet, der ein Gemälde an der gegenüberliegenden Westwand anstrahlte. Ich bewegte mich geräuschlos über den Fußboden.
    Da waren sie, die leeren Sofas, die leeren Sessel und der große, leere Schreibtisch, auf dem nur ein Telefon stand.
    Und der große Sessel, der nun nicht leer war.
    Ich konnte hören, wie er atmete, tief, langsam und schwer, wie ein großes Tier in der Dunkelheit.
    Ich konnte die Umrisse des Mannes, der in diesem Sessel saß, nur annähernd ausmachen.
    Ich stolperte über einen Stuhl. Vor Schreck wäre mir beinahe das Herz stehengeblieben.
    Ich

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