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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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nieder. Dann starrte ich auf den Abdruck und fing an zu zittern.
    »Ich …«, sagte ich und verstummte sofort wieder.
    Ein Schatten war zwischen uns gefallen.
    »Morgen!«
    Über uns stand der Friedhofswärter.
    Ich warf Roy einen raschen Blick zu. »Bist du sicher, daß das hier der richtige Grabstein ist? Es ist schon so lange her. Ist …«
    Die nächste Grabplatte in unserer Reichweite war mit Blättern bedeckt. Ich scharrte den Staub von der Oberfläche. Zum Vorschein kam ein nur zur Hälfte leserlicher Name, SMYTHE . GEBOREN 1875 – GESTORBEN 1928.
    »Aber sicher! Der gute alte Großpapa!« rief Roy. »Der arme Kerl. So jämmerlich an Lungenentzündung gestorben.« Roy half mir, den Staub wegzuwischen. »Ich habe ihn wirklich geliebt. Er …«
    »Wo sind Ihre Blumen?« dröhnte die tiefe Stimme über uns.
    Roy und ich erstarrten.
    »Die bringt Ma mit«, sagte Roy. »Wir sind vorausgegangen, um den Grabstein zu suchen.« Er blickte über seine Schulter. »Sie ist irgendwo dort hinten.«
    Der Friedhofswärter, ein Mann reich an Lebensjahren und voll ausgeprägtem Mißtrauen, mit einem Gesicht, das einem verwitterten Grabstein nicht unähnlich war, schaute zum Tor hinunter.
    Weit hinten, beim Santa Monica Boulevard, kam eine Frau mit Blumen im Arm den Weg herauf.
    Gott sei Dank, dachte ich.
    Der Wächter schnaubte, kaute auf seinem Zahnfleisch herum, drehte sich rasch um und entfernte sich zwischen den Gräbern. Gerade rechtzeitig, denn die Frau hatte inzwischen haltgemacht und ging nun in eine andere Richtung, von uns weg.
    Wir sprangen auf. Roy grabschte ein paar Blumen von einem nahegelegenen Grabhügel.
    »Nicht!«
    »Und ob!« Er beförderte die Blumen auf Großpapa Smythes Grab. »Damit der Kerl nicht zurückkommt und sich wundert, daß nach unserem ganzen Geschwätz keine Blumen hier sind. Jetzt komm!«
    Wir gingen ungefähr fünfzig Meter weit und blieben dann stehen; wir taten so, als würden wir uns unterhalten, sagten jedoch nicht viel. Schließlich stieß mich Roy am Ellenbogen. »Vorsicht«, flüsterte er. »Schau nur aus dem Augenwinkel hin. Nicht direkt hinglotzen. Er ist wieder da.«
    Tatsächlich war der alte Wachmann wieder an der Stelle vor der Mauer aufgekreuzt, an der noch immer der längliche Abdruck des aufgeschlagenen Körpers zu sehen war.
    Er blickte auf und sah uns. Rasch legte ich meinen Arm um Roys Schulter, um ihn ein wenig zu trösten.
    Jetzt beugte sich der Alte nieder. Mit gekrümmten Fingern rechte er das Gras. Bald schon war keine Spur mehr von einem schweren Gegenstand zu sehen, der in der vergangenen Nacht während eines fürchterlichen Regenschauers vom Himmel gefallen war.
    »Glaubst du mir jetzt?«
    »Ich frage mich«, entgegnete Roy, »wo der Leichenwagen hingefahren ist.«
     

9
     
    Als wir das Haupttor des Studios passierten, glitt der Leichenwagen hinaus. Leer. Wie in einem letzten Herbstwind wehte es ihn davon, zurück in das Reich des Todes.
    »Herrgott nochmal! Genau wie ich mir das gedacht hatte!« Roy saß am Steuer, schaute aber auf die leere Straße hinter uns. »Allmählich bekomme ich Spaß an der Sache!«
    Wir fuhren weiter die Straße entlang, in die Richtung, aus welcher der Leichenwagen gekommen war.
    Direkt vor uns überquerte Fritz Wong die Studiostraße. Er schimpfte und fluchte vor sich hin, als befehlige er einen unsichtbaren Trupp Soldaten, sein scharfes Profil zerschnitt die Luft in zwei Hälften; er trug ein schwarzes Barett – der einzige Mann in Hollywood, der ein Barett trug, und wehe, wenn einer eine Bemerkung machte!
    »Fritz!« rief ich. »Roy, halt an!«
    Fritz schlenderte auf uns zu, lehnte sich gegen die Wagentür und begrüßte uns auf seine mir mittlerweile vertraute Art.
    »Hallo, Sie blöder fahrradfahrender Marsmensch! Wer ist dieser eigenartige Menschenaffe da am Steuer?«
    »Hallo Fritz, Sie blöder …« Ich hielt inne und sagte dann beschämt: »Roy Holdstrom, der Welt größter Erfinder, Erbauer und Lenker von Dinosauriern!«
    Fritz Wongs Monokel versprühte Funken. Er fixierte Roy mit seinem orientalisch-germanischen Blick und nickte dann spröde.
    »Jeder Freund des Pithecanthropus Erectus ist auch mein Freund!«
    Roy packte seine ausgestreckte Hand. »Ich fand Ihren letzten Film sehr gut.«
    »Gut?«
    »Sensationell! «
    »Gut.« Fritz schaute mich an. »Was gibt’s Neues seit dem Frühstück?«
    »Irgend etwas Lustiges geschehen?«
    »Dort ist gerade eine römische Phalanx von vierzig Mann entlangmarschiert. Ein Gorilla

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