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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Habichtsnase hinab und über seinen triumphierenden Mund. Er kam mir vor wie Grocs Mund, oder wie Der Mann, der lacht.
    Roy spürte, daß ich ihn ansah. »Na, haßt du mich auch schön?«
    »Nein. Ich frage mich nur, wie ich dich all die Jahre habe kennen können, ohne dich zu kennen.«
    Roy hielt seine linke Hand zum Fenster hinaus, in der die Skizzen aus dem Brown Derby im Wind flappten und flatterten.
    »Soll ich loslassen?«
    »Du weißt so gut wie ich, daß du eine Pocketkamera im Gehirn hast. Wenn du diese hier fallen läßt, so hast du jederzeit eine neue Rolle zum Entwickeln hinter deinem linken Augapfel.«
    Roy wedelte mit den Blättern. »Das stimmt. Der nächste Satz wird zehnmal so gut.« Die Seiten aus dem Block flatterten hinter uns in die Nacht.
    »Damit fühle ich mich auch nicht besser«, sagte ich.
    »Ich aber. Das Monster gehört jetzt uns. Uns allein.«
    »Ach ja? Wer hat es uns denn geschenkt? Wer hat uns zu diesem Rendezvous geschickt? Wer beobachtet uns, während wir ihn beobachten?«
    Roy streckte die Hand aus und malte die Hälfte einer Fratze in die Feuchtigkeit auf der Innenseite der Fensterscheibe.
    »Momentan nur meine Muse.«
    Danach sagten wir nichts mehr. Den Rest des Heimwegs legten wir in tiefem Schweigen zurück.
     

17
     
    Um zwei Uhr morgens klingelte das Telefon.
    Es war Peg, die aus Connecticut anrief, wo es kurz vor Morgengrauen war.
    »Erinnerst du dich an eine Ehefrau namens Peg«, schrie sie, »die vor zehn Tagen zu einer Lehrerkonferenz nach Hartford gefahren ist? Warum hast du mich nie angerufen?«
    »Hab’ ich doch. Aber du warst nicht in deinem Zimmer. Ich habe meinen Namen hinterlassen. Herrje, wärst du doch zu Hause.«
    »Ach du Schreck«, sagte sie langsam, Silbe für Silbe. »Kaum habe ich die Stadt verlassen, steckst du schon im Schlamassel. Soll Mama nach Hause eilen, nach Hause fliegen?«
    »Ja. Nein. Es ist nur der übliche Studioquark.« Ich zögerte.
    »Weshalb zählst du bis zehn?« wollte sie wissen.
    »Herr im Himmel«, stöhnte ich.
    »Du kannst weder Ihm noch mir entkommen. Hast du brav deine Diät eingehalten? Geh auf der Stelle zu einer dieser automatischen Waagen, die einem das Gewicht in roter Tinte ausdrucken, und schicke mir den Zettel. Hey«, fügte sie hinzu, »ich meine es ernst. Soll ich zurückfliegen? Morgen?«
    »Ich liebe dich, Peg«, sagte ich. »Komm einfach so zurück, wie es geplant war.«
    »Aber was ist, wenn du nicht dort bist, wenn ich zurückkomme? Ist immer noch Halloween?«
    Weibliche Intuition!
    »Sie haben es um eine Woche verlängert.«
    »Das habe ich gleich an deiner Stimme gehört. Mach einen großen Bogen um jeden Friedhof.«
    »Wie kommst du denn darauf ?«
    Mein Herz hoppelte wie ein Kaninchen.
    »Hast du Blumen auf das Grab deiner Eltern gelegt?«
    »Vergessen!«
    »Wie kannst du nur!«
    »Egal, der Friedhof, auf dem sie liegen, ist viel besser.«
    »Besser als was?«
    »Als jeder andere … weil sie dort liegen.«
    »Bring ihnen eine Blume von mir«, sagte sie. »Ich liebe dich. Bis bald.«
    Dann entfernte sie sich mit einem Summen in der Verbindung und einem stillen Dröhnen, und sie war weg.
    Um fünf Uhr früh, ohne Aussicht auf Sonne und mit der Wolkendecke vom Pazifik fest über meinem Dach, blinzelte ich zur Zimmerdecke, stand auf und gelangte, auch ohne Brille, bis zu meiner Schreibmaschine.
    Dort saß ich im Zwielicht vor Sonnenaufgang und schrieb: » DAS MONSTER KEHRT ZURÜCK .«
    Nur war es jemals weggewesen?
    War es mir nicht zeit meines Lebens vorausgegangen, hatte mich mit seinem Flüstern gelockt?
    » KAPITEL EINS «, tippte ich.
     
    »Was ist nur so schön an einem perfekten Monster? Wieso stehen kleine Jungs und erwachsene Männer so darauf?
    Was läßt uns die Hälfte unseres Lebens über Kreaturen, Monster, Absonderlichkeiten und das Groteske nachgrübeln?
    Und nun das verrückte Verlangen, das schrecklichste Gesicht der Welt zu verfolgen und einzufangen!«
    Ich atmete tief durch und wählte Roys Nummer. Seine Stimme kam von weit her, von unter Wasser.
    Ich sagte: »Alles in Ordnung. Alles was du willst, Roy. Alles klar.«
    Dann legte ich auf und ließ mich wieder ins Bett fallen.
     
    Am nächsten Morgen stand ich vor Roy Holdstroms Atelier 13 und las das Schild, das er gemalt hatte.
     
    VORSICHT, RADIOAKTIVE ROBOTER
    TOLLWÜTIGE HUNDE,
    ANSTECKENDE KRANKHEITEN
     
    Ich preßte mein Ohr an die Studiotür und stellte mir vor, wie er dort drinnen in der weitläufigen, stillen

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