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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Kirchenschiffdunkelheit wie eine ungelenke Spinne an seinem Lehm herumwerkelte, gefangen von seiner großen Liebe und dem, was durch seine Liebe Gestalt annahm.
    »Na los, Roy«, flüsterte ich. »Na los, Monster.«
    Um mir die Wartezeit zu verkürzen, unternahm ich einen Spaziergang durch die Städte dieser Welt.
     

18
     
    Im Gehen dachte ich: Mein Gott, Roy bringt ein Monster zur Welt, vor dem ich mich fürchte. Wie soll es mir gelingen, mit Zittern aufzuhören und Roys Delirium einfach zu akzeptieren? Wie schaffe ich es, ein Drehbuch um das Monster herum zu konstruieren? Wo soll ich es ansiedeln? In welchem Dorf, welcher Stadt, auf welchem Flecken der Erde?
    Meine Güte, dachte ich, während ich so ging, jetzt ist mir klar, warum so wenig Gruselgeschichten in Amerika beheimatet sind. England mit seinen Nebeln, seinem Regen, den Mooren, den uralten Häusern, den Londoner Gespenstern – Jack the Ripper? Keine Frage, das geht!
    Aber Amerika? Hier gibt es keine wahre Tradition von Spukgestalten und Geisterhunden. Höchstens New Orleans, dort gibt es genügend Nebel, Regen und Herrenhäuser im Sumpf, wo man Gräber graben und wo einem der kalte Schweiß ausbrechen kann, während die Seelen der Verstorbenen auf und davon marschieren. Oder auch San Francisco, wo jede Nacht die Nebelhörner ihre Klage anstimmen und wieder verstummen.
    Vielleicht Los Angeles. Der Schauplatz für Chandler und Cain. Und doch …
    Es gab in ganz Amerika nur einen einzigen Ort, wo man einen Killer verstecken und sein Leben verlieren konnte.
    Maximus Films!
    Lachend bog ich in eine kleine Gasse ein, schlenderte durch die Dekorationen für ein halbes Dutzend Filme auf dem hinteren Studiogelände und machte mir Notizen.
    Hier war man in England, im abgelegenen Wales, in schottischen Hochmooren oder im wolkenverhangenen Irland. Hier traf man auf die Ruinen alter Schlösser und auf die Grabgewölbe der Horrorfilme. Hier huschten die ganze Nacht lang Gespenster über die Wände der Projektionsräume, mit klaffenden Mäulern, auf ihren alten DeMille-Streitwagen mit den graugescheckten Schlachtrössern, Totenlieder singend, während die Nachtwächter ihre Runden drehten.
    So würde es auch heute nacht sein, wenn die Phantomstatisten die Zeit anhielten und der Friedhofsnebel über die Mauer quoll, der von den Rasensprengern herrührte, die kalte Tropfen auf die von der Hitze des Tages noch warmen Gräber spritzten. Jede Nacht konnte man hier durch London schlendern und jenem Weichen stellenden Phantom begegnen, dessen Laterne der Lokomotive das Signal gab, worauf sie wie eine eiserne Festung auf ihn zuraste und endlich in die Atelierhalle 12 krachte, um in den Seiten einer alten Oktoberausgabe des Silver Screen -Magazins zu verschwinden.
    So spazierte ich durch die Straßen, wartete darauf, daß die Sonne unterging und Roy mit von rotem Ton verschmierten Händen herauskam, um eine Geburt zu verkünden!
    Um vier Uhr hörte ich entfernte Gewehrschüsse.
    Die Schüsse waren nichts anderes als Roy, der auf einer Wiese hinter Halle 7 einen Krocketball durch die Gegend drosch. Er hieb wieder und wieder auf den Ball ein, dann spürte er meinen Blick und hielt inne. Er hob den Kopf und blinzelte mir zu. Sein Blick war nicht der eines Geburtshelfers, sondern eher der eines fleischfressenden wilden Tieres, das gerade eben getötet und sich satt gefressen hat.
    »Ich hab’s getan, bei Gott!« rief er. »Es sitzt in der Falle. Unser Monster! Dein Monster, und meins ! Heute aus Ton, morgen schon im Film! Die Leute werden fragen: Wer hat das fertiggebracht? Wir, mein Freund, wir!«
    Roy krallte seine langen, knochigen Finger in die Luft.
    Ich ging langsam, benommen, auf ihn zu.
    »In der Falle? Mensch, Roy, du hast mir immer noch nicht erzählt, was du gesehen hast, als du ihm in der Nacht hinterhergerannt bist!?«
    »Wart’s ab, Kumpel. Paß auf, ich bin vor einer halben Stunde fertig geworden. Du brauchst nur einen Blick darauf zu werfen, und deine Schreibmaschine wird überkochen. Ich habe Manny angerufen! Er trifft sich mit uns in zwanzig Minuten. Ich bin beim Warten beinahe durchgedreht, deshalb mußte ich hierher kommen und auf den Ball eindreschen. Achtung!« Er landete einen weiteren kraftvollen Schlag. Der Krocketball flog davon. »Haltet mich zurück, bevor ich jemanden umbringe!«
    »Roy, beruhige dich.«
    »Nein, ich werde mich nie mehr beruhigen. Wir erschaffen den größten Horrorfilm aller Zeiten . Manny wird …«
    Eine Stimme gellte: »Hey,

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