Friedhof New York
weiß, aber es gibt keine andere Lösung. Dieser Abend und diese Nacht werden entscheidend sein, denn Jericho bastelte bereits an einem Friedhof New York.«
Kray hatte eine Gänsehaut bekommen. Die Worte hatten ihn hart getroffen und ihm auch eine gewisse Angst eingejagt.
»Aber ich habe ihn nicht gesehen. Ich kann euch auch nicht sagen, wie er aussieht…«
»Vielleicht doch«, sagte Suko.
»Wieso denn?«
»Die Gestalt, die auf der Barke stand und eine Sense festhielt. Wir könnten uns vorstellen, daß sie Jericho gewesen ist.«
»Dann wäre er ein Skelett.«
Beide Männer horchten auf. Kray sah, daß er sie mit seiner Antwort überrascht hatte und fragte: »Ist euch das denn nicht bekannt gewesen? Ehrlich nicht?«
»Nein.«
»Das stimmt. Ich habe die Gestalt gesehen. Sie trug den schwarzen Mantel oder Umhang. Sogar eine Kapuze hatte sie über den Kopf gestreift. Und vorn schimmerte etwas bleich wie alte Knochen. Das… das muß ein Skelett gewesen sein.«
»So kennen wir ihn nicht«, sagte Chato.
Suko gab keinen Kommentar. Er hatte die Nähe des Betts verlassen und war an eines der Fenster getreten, um nach draußen zu schauen. Suko blickte in einen heranbrechenden Abend hinein, der bereits von einer schiefergrauen Dämmerung erfüllt worden war. Für einen Moment noch konnte er den Mond sehen, bis dieser es sich überlegte und eine Wolke vor sein rundes Gesicht schob, als könnte er den Anblick der Stadt New York nicht mehr ertragen, weil dort nur mehr schlechte Menschen und grausame Dämonen das Kommando übernommen hatten.
Der Platz vor dem Container war leer und lag in tiefer Stille. Sie waren hier nicht weit vom Wasser entfernt, wo es eigentlich immer windig war.
An diesem Abend nicht. Der Wind hatte sich zurückgezogen. Er war eingeschlafen, und kein Lufthauch regte sich. Die Luft stand still. Sie kam Suko zum Schneiden dick vor.
Sie war etwas für Jericho. Er erinnerte sich, in der Wüste damals ähnliche Witterungsbedingungen vorgefunden zu haben. Die große Ruhe vor dem Sturm. Und er hatte gleichzeitig das Gefühl, in einer Realität zu stehen, die dabei war, sich allmählich aufzulösen. Das wiederum konnte nur bedeuten, daß er nicht mehr weit entfernt war.
Jericho würde kommen, er würde erscheinen, um seine finsteren Versprechen einzulösen und aus der Traumwelt eine Realität schaffen.
Noch hatte sich nichts verändert. Nichts war zu sehen, doch sensible Menschen wie Suko spürten es. Niemand näherte sich dem großen Wohncontainer. Er konnte auch keinen Blick auf das Nachbargebäude werfen, weil die Bäume störten.
Einen letzten Blick warf er in die Leere vor dem Container, dann drehte er sich um und ging mit leisen Schritten zu Chato und Kray zurück. Der Apache schaute ihn fragend an und zog seine Augenbrauen zusammen, als er Sukos Nicken sah.
»Ist er da?«
»Noch nicht…«
»Aber…?«
»Ich spüre ihn.«
Chato holte tief Luft. »Es ist gut, daß du es mir gesagt hast, Suko. Dann weiß ich, was ich zu tun habe. Es bleibt mir doch hoffentlich Zeit, meine Vorkehrungen zu treffen?«
»Wie lange brauchst du?«
»Warte es ab.« Er griff in die Tasche seiner hemdähnlichen Jacke und holte aus ihr einen Lederbeutel hervor, der an seinem Ende in einer halben Rundung auslief, ein Zeichen, daß sich dort etwas zusammendrängte. Oben lief eine dünne Schnur um den Beutelrand, die Chato so weit auseinanderzog, damit die Öffnung groß genug wurde, um die Hand hineinstecken zu können. Sie verschwand darin, seine Finger bewegten sich, und wenig später zog er die Hand wieder hervor. Noch hielt er sie zur Faust geschlossen. Als er sie öffnete, schaute Suko auf ein bläulich rot schimmerndes Pulver und hörte den flüsternden Erklärungen zu.
»Es ist die Kraft meiner Ahnen. Die Mächte der Natur, die sich hier vereinigt haben. Es ist das Pulver, das Feuer gibt. So wurde es manchmal beschrieben, und ich hoffe, daß es nichts von seiner Kraft verloren hat, Suko.«
Der Inspektor enthielt sich eines Kommentars. Er wußte, daß Chato jetzt allein gelassen werden mußte, und der Mann aus der Wüste zog sich von ihnen zurück.
Er suchte sich eine Stelle zwischen den Betten aus, wo er ungestört war.
»Was macht er?« fragte Kray. »Er beschwört die Alten Mächte.« Kray nickte nur.
Sekunden später schon hörten beide den leisen Singsang des Apachen.
Er hockte dabei auf dem Boden, hielt den Kopf in die Höhe gerichtet, und sein Blick verlor sich dabei in unendlich weiten Fernen, wo
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