Friedo Behuetun 02 - Dunkles
erreichbar sein, auch im Urlaub, 365 Tage im Jahr.« Er steckte das Handy wieder ein, nahm das Thema mit dem Stadion wieder auf.
»Na ja, wir haben denen das Gelände abgetreten und dafür eines im Westen von München gekriegt – aber, und das wollte ich eigentlich erzählen: Wissen Sie, wie lange die Genehmigungenfür die Arena gedauert haben? Ein halbes Jahr vielleicht, dann war das Thema durch. Genehmigt und durch alle Instanzen. Bei so einem Projekt! Das meine ich mit Freundschaft. Ein halbes Jahr später haben die angefangen zu bauen, da kamen die ersten Bagger. Für ein Möbelhaus völlig undenkbar.«
Kollitz kickte im Schlendern einen losen Stein vom Weg und steckte die Hände in die Hosentaschen. Sie waren jetzt an dem Schuppen mit dem aufgesprühten »Dynamo Dresden Zone« angelangt, und Behütuns deutete auf die Bank. Über ihnen schwebte im Tiefflug ein Jet zur Landung auf dem Nürnberger Flughafen ein, das Fahrwerk schon ausgefahren. Er war leiser als die Autobahn drüben, obwohl er so niedrig flog, dass man schon fast jede Niete sah.
»Wollen wir uns nicht lieber setzen?«
Mit dem Fuß schob er die alte Whiskeyflasche mit dem abgerissenen Etikett unter die Bank.
»Ja, und was dauert dann hier so lange?«, fragte Behütuns. Im Grunde fand er es gut, eigentlich konnte man so ein Projekt gar nicht lange genug hinauszögern. Wenn er sich vorstellte, hier stünde ein solcher Flugzeugträger … so ein riesiger Koloss mit Parkplatz und Tausenden Autos täglich … da war ihm der Stoppelacker allemal lieber und die alten Pappeln an der Straße.
»Na ja, nehmen wir einmal an, ein hochrangiger bayerischer Politiker, vielleicht sogar ein Minister oder, warum auch nicht, etwas Höheres wäre ein ›Spezi‹ vom Rotstuhl, genauer gesagt von demjenigen, von dem der das Möbelgeschäft hat … aber das wird jetzt zu kompliziert, vergessen Sie’s. Auf jeden Fall: Dann könnte sich das unter Umständen für einen Konkurrenten schon ein wenig verfahrensverzögernd auswirken. Normales Spiel. Ist ja auch nur menschlich. Freunde bevorzugt man eben.« Kollitz schien kein bisschen verärgert oder empört.
»Aber der Beckstein ist jetzt ja weg«, warf Behütuns ein. Hatte Kollitz überhaupt diesen Namen erwähnt? »Fährt in Tibet rum, im Himalaya, quasselt in Talkshows und so, oder?«
Was hatte das denn alles mit seinem Fall zu tun? Er wusste es nicht, aber das Gespräch erschien ihm nicht uninteressant. Auf das Mädchen würde er schon noch zu sprechen kommen. Im Moment tat es ihm einfach gut, sich abzulenken. Das spürte er beinahe körperlich.
»Den Namen haben Sie genannt«, antwortete Kollitz verschmitzt, »nein, nein, keine Namen. Darum geht es auch nicht. Denn bei solch einem Projekt gibt es so viele Nickligkeiten, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Den Knoblauchslandschutzverein zum Beispiel.«
Behütuns sah sich um. Knoblauchslandschutzverein? Was gibt es am Knoblauchsland denn noch zu schützen, dachte er sich. Einen verbauteren und verhunzteren Landstrich kannst du dir doch kaum vorstellen. Überall Lagerhallen, Gewerbe, Dreck. Schau dir doch nur mal die Schmalau an: einer der hässlichsten Ortsteile Nürnbergs. Mitten im Knoblauchsland. Teil von ihm. Okay, dort ist alles gedrängt, das ist ein Industriegebiet. Eingezäunte Areale an rechtwinklig angelegten Straßen. Mit Baracken und Containern für Abfälle und Büros. Mit Wellblechhallen, Stapeln von Altreifen und alten Autos. Zwischendurch immer mal wieder ein Imbiss, eine Dönerbude, ein Kiosk. Und manche der dort angesiedelten Unternehmen mögen ja sogar ganz hübsch sein, mit ihrem Glaseingang, vielleicht frischer Fassadenfarbe, einem aufgeräumten Hof und so. Die anderen aber, und die sind eindeutig in der Mehrzahl, wirken verwahrlost, abstoßend zugemüllt, lieblos. Gut, das mag so sein, weil es ein Industriegebiet ist – aber wenn du quer durchs Knoblauchsland fährst, dann hast du überall diesen Dreck. Wie wahllos verteilt, einfach so ausgeschüttet.
» Was für einen Verein? Was schützen die?«, fragte Behütuns ungläubig. Gleichzeitig blickte er auf das Tabakfeld gegenüber und dachte sich: Eigentlich schön. Und auch schützenswert. Wenn es nur mehr solcher schönen Flecken gäbe.
»Die schützen das Knoblauchsland«, gab Kollitz zurück. »Und ich sag’s mal so: damit auch Rotstuhl.«
»Ich dachte das Knoblauchsland?«
Kollitz lachte. »Denken Sie’s doch mal so: Der Verein zum Schutz der Schönheiten des Knoblauchslands
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