Friedo Behuetun 02 - Dunkles
aufkommen lassen, nur keine Empfindlichkeiten provozieren. Denn dass sich die Erlanger den Nürnbergern gegenüber immer etwas benachteiligt fühlten, war allgemein bekannt. Behütuns hatte das bislang zwar immer für eine dieser liebevoll gepflegten Beziehungsgeschichten gehalten, die Reaktion des Kollegen aber ließ auf anderes schließen. Auf wirkliche Sensibilitäten. Oder täuschte er sich?
»Nein«, sagte der Kollege am anderen Ende, »bestechend guter Gedanke, vollkommen kapiert. Ich war im Kopf nur schon einen Schritt weiter, hab die Lokalitäten gecheckt. Da gibt es eine Handvoll Orte, an denen so etwas kein Aufsehen erregt. Und alle gleich in der Nähe. Ich schicke sofort die Kollegen los.«
»Perfekt. Ich bin gespannt. Kann ich noch etwas tun?«
»Wo stehen Sie, hatten Sie gesagt?«
»Bayernstraße nennt sich das hier. Da, wo der Fahrradweg kreuzt.«
Der andere überlegte einen Moment.
»Das ist einer der Orte, an die ich denke. Da parken LKWs, da ist nachts oft was los, da fällt nichts auf. Sie könnten sich das ja gleich mal ansehen, oder?«
»Ich melde mich wieder«, gab Behütuns zurück, »bis dann.« Das hatte er doch schon alles gesehen, das lag ja vor seinen Augen. Bei den LKWs war nichts, da war er sich ganz sicher.
Mit einer schallenden Fanfare begrüßte eine erste Amsel den Tag. Dann bretterte der Bus zurück, kein bisschen langsamer als vorher. Ein Papier wurde durch seinen Fahrtwind aufgewirbelt und flog hinüber in die Hecke. Dort hing es jetzt. Kommissar Friedo Behütuns stieg erneut aus seinem Wagen. Es konnte ja nicht schaden, noch mal nachzusehen.
Jetzt war die Luft schon voll von Vogelgesang. Wie schnell das immer geht, wenn mal der erste angefangen hat zu zwitschern.
Von drüben, von der Terrasse her, erschallte Gelächter. Die Musiker. Sie winkten ihm einladend zu.
Behütuns winkte ab. Vielleicht saßen sie ja nachher noch da.
»Ich kann dir nur sagen, ich habe ihn
außerordentlich dumm gefunden.«
Marcel Proust, Eine Liebe Swanns
23. Kapitel
Oder sollte er doch auf die Terrasse zu den Musikern? Vielleicht nach einem Bier fragen? Er hatte Lust, große Lust sogar. Aber auch einen Beruf. Und der zwang ihn jetzt, die Bayernstraße zu inspizieren. Erst einmal. Das hatte er versprochen.
Es wäre ihm sicher schon aufgefallen, wenn hier etwas ungewöhnlich wäre. Er stand ja schon geraume Zeit am Ort. Und – und darauf konnte er sich absolut verlassen – er konnte sich auf sich verlassen, auf sein Gespür.
Nein, konnte er nicht: die Geschichte mit den Musikern! Das war ja vielleicht eine peinliche Nummer! Und doch: Er hatte es noch während des Handelns gemerkt. Gespürt irgendwie. Trotzdem musste er sich eingestehen, dass das mit dem Gespür wohl nicht mehr ganz so verlässlich war. War das das Alter, das sich langsam bemerkbar machte?
Was machen, fragte er sich, während er langsam die Straße entlangschlenderte, denn eigentlich meine Kollegen? Bei Jaczek war es klar. Der stand ganz eng mit den Erlanger Kollegen in Kontakt und wüsste morgen sicher alles – wenn er denn irgendwann käme. Doch was war mit P. A.? Mit Dick? Die lagen bestimmt noch in den Federn, grunzten, furzten, kratzten sich am Kopf. Träumten von schönen Frauen oder anderem, wer weiß. Oder, und diese Vorstellung gefiel Behütuns schon viel besser, sie wälzten sich im nass geschwitzten Laken halbwegs schlaflos durch die Nacht, die Mücken sirrten und piesackten sie, und jetzt, so gegen Morgen, da die erste Kühle kam, auch spürbar, sanken sie endlich erschöpft in tiefen Schlaf – und würden gleich geweckt, der Wecker war da unbarmherzig.
Wäre auch einmal eine Idee, einen Wecker zu erfinden mit Feingefühl, dachte Behütuns. Doch wie der gehen sollte, wie er funktionieren könnte, davon hatte er keinen Plan. Er war ja Polizist und nicht Erfinder. Das sollten andere machen. Trotzdem: So ein Wecker … eigentlich müsste der einen schlafen lassen.
Er war schon an der Gärtnerei vorbei und merkte kaum, dass er ging. Vorne startete gerade einer der abgestellten LKWs seinen Motor. Seit der Öffnung des Ostens fanden die LKW-Fahrer auf den Autobahnparkplätzen kaum mehr Platz, um ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten. So wichen sie immer mehr auf Stellplätze nahe den Autobahnen aus, wie eben auf diesen. Anscheinend gab es zwischen den LKW-Fahrern einen Informationsfluss, was günstige Stellplätze anging. 150 Meter von der Autobahn entfernt, ruhig gelegen, ja beinahe idyllisch mit dem
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