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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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Seiltänzer ein Mutiger war, der der Gefahr in seinem tollkühnen Berufe ins Auge geblickt hat, verspricht Zarathustra ihm, ihn eigenhändig begraben zu wollen. Den Leichnam auf den Rücken gepackt, seine einzige Ausbeute als Bekehrungsobjekt dieses seltsamen Tages, stapft Zarathustra durch die pechschwarze Nacht. Es wird schwer, stellt er fest, rechte Gefährten zu finden, Mitschaffende, Miterntende, die mit ihm die Tafeln der Werte zerbrechen. Seine schlimmsten Feinde aber seien die «Guten und Gerechten» , die wie Hirten in einer Herde in ihren gleichgeschalteten kleinen Wertwelten leben. Sie hassen den Schaffenden ganz besonders, der ihre Tafeln zerbricht. Ob er fündig werden wird, Zarathustra, bei der Suche nach seinen Mitstreitern?
    In den Reden des Zarathustra folgt daraufhin ein sehr wesentlicher Part seiner Lehre. Er spricht von den drei Verwandlungen des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird und das Kamel zum Löwen und der Löwe am Ende zum Kind. Den starken, tragsamen Geist verlangt es als erstes nach Schwere, nach dem Schweren und Schwersten, und so kommt es, dass er alles auf sich lädt wie ein Kamel. Sich erniedrigen, heißt das, um seinen Hochmut zu demütigen, seine Torheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten, von einer Sache scheiden, sobald sie nur ihren Sieg feierte, krank sein und die Tröster heimschicken, mit Tauben sprechen, die ihn nicht verstehen, um der Wahrheit willen sich von Eicheln und Gras der Erkenntnis nähren und dabei Hunger leiden an seiner Seele. Alles um der Wahrheit willen, denn die Wahrheitssuche ist des redlichen Geistes tiefste Begehr. Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen. Alles lädt dieser Geist auf sich. Aber dann, schwer bepackt in der Wüste, vollzieht sich seine erste Verwandlung. Er wird zum Löwen, der redliche Geist mit all seinem schweren Gepäck. «Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eigenen Wüste.» Nun also wird der vorher tragsame und ehrfürchtige Geist, der bisher ein folgsames Lasttier war, zu einem Raubtier, denn er wirft alles von sich, auch die tausendjährigen Werte, die er bei seinem schweren Marsch mitschleppte, und zum neuen Schaffen bedarf es seines heiligen «Nein!» Nach dem «Du sollst!» in der Schwere folgt sein kräftiges und vitales «Ich will!», und der Löwe muss sich mitunter auch Freiheit rauben von seiner Liebe, Liebgewordenes abwerfen (und schon das macht ihn zum mächtigen Löwen, denn dazu gehört schließlich beträchtliche Kraft). Dann aber folgt seine dritte Verwandlung, denn der raubende Löwe wird schließlich zum Kind. «Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-Sagen.» Um zum Jasagen und letzten Ziel zu gelangen, auf dass der Weltverlorene sich seine Welt wieder gewinne, muss er in eine Kinderunschuld zurück, ohne die er nicht schaffen kann, und im Schaffen liegt doch seine ganze Bewandtnis, sein tiefstes Bestreben, sein innerer Sinn. «Schaffen» , wird Zarathustra den Menschen mitteilen, «– das ist die große Erlösung vom Leiden, und des Lebens Leichtwerden.» Die Metapher der Leichtigkeit zieht sich wie eine große Vision durch das Werk. Der frei gewordene Geist ist ein leichter Geist, und er ist ohne überkommenes Gepäck unterwegs. Er hat den Vogel-Umblick und Vogel-Überblick, er gleitet mit perspektivischer Umsicht über die Dinge hinweg und nimmt immer neue Blickwinkel ein, ohne sich jemals irgendwo niederzulassen, denn das würde ihm wieder seine Freiheit beschneiden und seinen überlegenen Blick. Das Gleichnis vom Tanzen entspricht dieser Leichtigkeit, die so erstrebenswert ist, und Zarathustra erscheint am Ende auch als tanzender Gott, dessen teuflischer Gegenpart nicht ein Beelzebub ist, sondern der Geist der Schwere, welcher am Leben leidet und sich das Leben beschwert. Beschworen wird alle Leichtigkeit, alles Fliegen und Tanzen, und neben der Geistesfreiheit und Weltfülle, die hier ihren Ausdruck erhalten, liegt darin auch die ganze Anmut des Lebens begründet. «Was haben wir gemein mit der Rosenknospe» , fragt Zarathustra, «welche zittert, weil ihr ein Tropfen Tau auf dem Leibe liegt?» Und er fährt fort: «[…] Auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter Menschen ist, am meisten vom Glücke zu wissen. Diese leichten törichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen – das verführt Zarathustra

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