Friesengold (German Edition)
Tut mir leid, Mona, ich war abgelenkt, ich gebe es ja zu. Aber es sind noch genügend Pilze da. Mit den Nudeln hatte ich sowieso auf dich gewartet.«
Wortlos zog sich Mona aus dem Türrahmen zurück, um sich anzuziehen. Greven übertrug ein zweites Mal seinen Zorn auf die Fliesen, nahm einen kräftigen Schluck, zog einen neuen Topf aus dem Schrank und griff zu Messer und Zwiebel. Das Nudelwasser kochte bereits und war auch nicht angebrannt. Immerhin. Und die Pilzsauce war schnell gemacht. Wenn er sich diesmal konzentrierte.
Natürlich konnte er Mona verstehen. Andererseits hatte er einen ganz anderen Job als sie, und das nicht erst seit gestern. Immer wieder gerieten sie deswegen aneinander, vor allem, wenn Mona mit den Bildern für eine neue Ausstellung in Verzug war und ihre Nerven immer wenige belastbar wurden. Wenn er korrekt gezählt hatte, fehlten noch zwei Bilder. Kaum zu schaffen.
Greven warf die Zwiebeln in die Butter, gab die Steinpilze in den Topf, Salz und Pfeffer, dann die Panna und einen Schuss von dem Wasser, in dem er die Pilze eingeweicht hatte. Stufe eins. Und den Schneebesen kreisen lassen. Bloß keine zweite Panne mit der Panna. Zwischendurch die Tagliatelle ins Wasser. Umrühren. Einen Schluck Dornfelder. Nebenan hörte er Mona mit dem Besteck und den Tellern klappern. Caravan hatte sie auf Kaufhauslautstärke heruntergeregelt. Mit seinem langen und alten Abschmecklöffel fuhr er in die Sauce. Salz und Pfeffer fehlten noch. Dank der getrockneten Steinpilze war das Aroma immer wieder umwerfend. Sofern man die Panna, die auch ohne Bindung für eine sämige Konsistenz sorgte, nicht anbrennen ließ.
»Na, Chef cuisinier , wie geht es unserem Abendessen?« Mona lehnte in Jeans und einem roten Rollkragenpullover in der Tür. Ihre Laune schien auf dem Wege der Besserung zu sein, wie er ihren Mundwinkeln und den kleinen Augenfältchen entnahm.
»Es kann losgehen! Sollen wir noch ein Glas Rote Bete aufmachen?« Greven wusste, wie sehr Mona Rote Bete liebte.
»Unbedingt«, antwortete Mona und nahm einen kräftigen Schluck aus Grevens Glas.
Der Wein, die Rote Bete und die Steinpilze hoben Monas Stimmung sichtlich. Sie machte sich über Kollegen lustig, zog über ihren Galeristen her und hielt einen kurzen Vortrag über das verlorene Profil und einige Künstler, die sich für ein solches Portrait entschieden hatten wie Gustav Klimt, Frederic Leighton oder Anselm Feuerbach.
»Wie enthüllt man den Charakter eines Menschen, ohne sein Gesicht zu zeigen, ohne seinen Blick, seinen Mund? Das ist doch eine künstlerische Herausforderung, die sich lohnt. Der Hinterkopf muss reichen. Das Ohr, ein halbes Auge, eine bärtige Wange, der Hals. Das ist alles. Und trotzdem glaubt man bei Klimt, das Gesicht und vor allem den Ausdruck zu erkennen.«
»Ich kenne zwar das Bild von Klimt nicht«, sagte Greven, »aber die Perspektive kenne ich sehr gut. Auch wir haben oft nur wenige Anhaltspunkte und müssen versuchen, mit und ohne Profiler, uns den ganzen Menschen vorzustellen.«
»In gewisser Weise hast du recht, aber ein Portrait geht viel weiter.«
Während Greven noch über den Satz nachdachte, kam Mona eine Frage in den Sinn, die sich aus dem Thema ergab.
»Was sagt eigentlich dein Knie zu Onken?«
»Nichts«, musste Greven einräumen. »Aber das liegt nur an den Minusgraden. Sobald es taut, wird es sich zurückmelden.«
»Also ist es doch eher wetterfühlig als mordfühlig.«
»Das kann man so nicht sagen«, konterte Greven, der zwar wusste, dass die angebliche Eigenschaft seines vor vielen Jahren durch eine Kugel verletzten Knies nur ein Mythos war, diesen jedoch nur ungern preisgeben wollte, selbst dann nicht, wenn es sich nur um eine harmlose Anspielung handelte.
»Das kann man so nicht sagen.«
Mona schüttelte schmunzelnd den Kopf und hob ihr Glas zum Mund.
4
Wie immer hatte sich Dr. Behrends auf das Notwendigste beschränkt. Viel mehr, als dass Reinold Onken tatsächlich durch Schläge ins Gesicht misshandelt worden und dann erfroren war, stand nicht im Bericht des Forensikers. Abgesehen von dem Hinweis auf das Blut im Schnee, das tatsächlich von Onken stammte. Die Spurensicherung hielt sich ebenfalls auffallend zurück. Alle relevanten Fingerabdrücke hatte, wie von allen vermutet, das Opfer hinterlassen. Lediglich auf dem Glas der beiden Vitrinen waren mehrere unbekannte Abdrücke gefunden worden. Da sich aber auf den Ordnern und Uhren, die der oder die Täter berührt haben
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