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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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klangen und die trotzdem ehrlich gemeint waren.
    Und wenn man doch mehr als einen Menschen gleichzeitig lieben konnte? Plötzlich musste ich wieder an Anns Geschichte denken, den Freund, der zwischen der Mutter seines Kindes und seiner langjährigen Lebensgefährtin pendelte. Vielleicht war das die Hölle auf Erden. Vielleicht auch das Beste aus beiden Welten, für alle drei. Menschen lebten so. Nichts war unmöglich. Vielleicht konnte man auch jemandem vertrauen, der nicht treu war. Aber dafür aufrichtig. Ob Torge mit seinem Satz auch mich meinte? Dass er mir vertraute, obwohl er mich nicht kontrollieren konnte? Oder kam er gar nicht auf die Idee, ich könnte dieses Vertrauen jemals missbrauchen?
    »Komisch«, sagte er.
    »Komisch? Dass ich dich liebe?«
    »Nein. Es ist nur … ich wollte das auch gerade sagen. Ich lieb dich auch.«
    »Mach’s gut«, sagte ich.
    Und dachte, dass es ziemlich lange her war, dass ich diesen Satz von ihm gehört hatte. Dass er ihn früher immer gesagt hatte, auch am Ende jedes Telefonates, bis er zu einer ziemlich bedeutungslosen Floskel verkommen war. Und dass Torge immer, aber auch wirklich immer das »e« am Ende des zweiten Wortes wegließ.
    Als läge die Liebe, mit ihren ganzen fünf Buchstaben, zu schwer auf seiner Zunge.

22
    Bis vor ein paar Tagen hatte ich Dr. Sidhoo für eine harmlose Quack salberin gehalten. Jetzt musste ich mein Urteil revidieren. Dr. Si dhoo war überhaupt nicht harmlos. Sondern heimtückisch bis zum Anschlag.
    Kaum mehr als zwölf Stunden nach meinem nächtlichen Rendezvous forderte sie uns dazu auf, unsere geheimen Träume zu visualisieren. Unser Dharma auf die Mattscheibe unserer Hirne zu holen und dort so lebhaft hinzuprojizieren, als lebten wir schon in unserem persönlichen Nirwana.
    Und das heute.
    Und das mir.
    Mir, die ich seit dem Rest meiner schlaflosen Nacht vergeblich versuchte, diesen Film aus meinem Kopf zu vertreiben. Einen Film, der mit knapper Not eine Altersfreigabe ab sechzehn bekommen hätte, vermutlich aber wohl doch erst ab achtzehn.
    Die Frau ahnte doch etwas! Oder warum hatte sie mich mit diesem undurchdringlichen orientalischen Lächeln gemustert in unserer Eingangsrunde? Warum dann diese Bemerkung, scheinbar ganz allgemein, aber in Wirklichkeit für mich bestimmt: »Wenn eine von euch schon völlig im Einklang mit ihren Werten lebt, wenn sie das Gefühl hat, ihr persönlicher Traum hat sich erfüllt, dann kann sie sich einfach einen besonders schönen Moment aussuchen und ihn innerlich noch einmal nacherleben.«
    Ich konnte mich täuschen, aber mir war, als trieften ihre Worte förmlich vor Ironie. Als wüsste sie ganz genau, dass ich eben nicht von einem Abendessen im Garten unseres geschmackvollen Back steinhauses träumte, von aufgerollten Gartenschläuchen und knor rigen Obstbäumen und einer Tochter, die sich rotwangig eine dicke Scheibe Landbrot bestrich. Ha! Sondern dass mir immer wieder diese anderen Bilder in den Sinn kamen wie eine Diashow von Körperteilen. Die, auf denen nur Jan zu sehen war, gehörten da noch zu den harmloseren. Der behaarte Streifen unterhalb seines Nabels, die sensationelle Linie seines Kiefers. Viel gefährlicher waren die, auf denen sich Ausschnitte unserer beider Körper befanden. Seine Hände auf meinen Brüsten. Ein Finger, der sich unter den Saum meines Slips stahl.
    Ich blinzelte vorsichtig und erhaschte einen Blick auf Bärbel. Die lag neben mir auf der Matte und atmete geräuschvoll aus, begleitet von einem kleinen Summen. Es hörte sich an wie im Geburtsvorbereitungskurs. Dabei aber seltsam gepresst. Etwas sagte mir, dass sie nicht so tiefenentspannt war, wie sie tat.
    Leise wandte ich den Kopf zur anderen Seite. Die Matte neben mir war leer. Mal wieder. Ann schien sich wirklich nichts aus den Seminaren bei Dr. Sidhoo zu machen. Diesmal würde sie ja wohl kaum mit Jan im Dampfbad stecken. Ein kleiner Anflug von Eifersucht streifte mich, unangenehm wie ein eisiger Sprühregen im Gesicht. Sie hatte ihn schon nackt gesehen, ich noch nicht. Wenigstens nicht ganz. Und er sie auch. Ich musste an das Bild über unserem Hotelzimmerbett denken. War das am Ende ein Selbstporträt? Obwohl – ich traute Ann zwar viel zu, aber dass sie sich die Schamhaare grün färbte, ging zu weit.
    Wider Willen blieben meine Gedanken beharrlich an Jans und Anns Dampfbadverabredung hängen, ganz so, als gehörte all das, diese Verabredung und meine Eifersucht, nicht einer völlig anderen Zeitrechnung an. Was war

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