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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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dieser Frau eigentlich eingefallen? Und ihm? Machte man das so: Sich splitterfasernackt verabre den mit einer Frau, von der man eigentlich nur etwas über ihre Zimmernachbarin erfahren wollte? Oder was hatte Jan für ein wissenschaftliches Projekt? Vierzigjährige Frauen im Lebendver gleich?
    Wissenschaft. Das war das Stichwort. Vielleicht konnte ich die Bilder in meinem Kopf entschärfen, wenn ich sie analysierte. Welcher Körpertyp war eigentlich Jan? Und passte er zu meinem, aus ayurvedischer Sicht? Dummerweise konnte ich mich nicht an seine Augenbrauen erinnern. Und die Zunge war die ganze Zeit entweder in seinem oder gleichzeitig in meinem Mund gewesen. Eher feucht als trocken. Gelb oder rosa? Na, hoffentlich eher rosa. So kam ich jedenfalls nicht weiter. Hunger ertragen, das hatte er jedenfalls müssen. Da war ich eisern geblieben. Gegen ihn und gegen mich selbst. Kapha wider Willen. Nur die Vorspeise, aber keinen Hauptgang.
    Dabei fiel mir etwas auf. Amüsiert stellte ich fest, dass ich seit zwei Tagen keinen Hunger mehr hatte. Nicht mal die Mungbohnen suppe machte mir etwas aus. Hatte ich völlig vergessen. Appetitlosigkeit als angenehmer Nebeneffekt emotionaler und körperlicher Besessenheit. Die beste Diät. Ein toller Cocktail aus Endorphinen, Adrenalin, Oxytocin. Mein Bio-Schüler Moritz Ebert-Kühn kam mir wieder in den Sinn: »Die Existenz der Hormone als Botenstoffe im menschlichen Körper ist mir bekannt.« Ich musste grinsen. Klar, dass ein hübscher Kerl wie Moritz wusste, was Hormone alles anstellen konnten im Körper. Dass er sich vor allem mit ihren angenehmen Effekten auskannte. Der ganze Satz war nicht nur eine Unverschämtheit, er war auch ein einziger unanständiger Witz. So hatte ich das bisher noch nie betrachtet. Eigent lich hätte ich ihm für diese geniale Kombination sogar einen Punkt geben müssen, für die Kreativität in der Knappheit.
    Dann schämte ich mich schon wieder. Jetzt hatte ich in Gedan ken meinen eigenen Schüler als hübschen Kerl bezeichnet. Brachen jetzt alle Dämme? Nur, weil ich mit einem Fünfundzwanzigjährigen geknutscht hatte? Würde ich in Zukunft lüstern siebzehnjährigen Jungs auf den Po starren? Und, apropos Zukunft: Was sollte nur aus meinem Leben werden, jetzt, da plötzlich alles darin verrutscht war? Wo sogar mein eigener Ehemann plötzlich auf eine Weise über Vertrauen sprach, die mich mit einem unbestimmten Misstrauen erfüllte?
    Wieder drang Dr. Sidhoos Stimme an mein Ohr. »Geht jetzt tiefer hinein in eure inneren Bilder«, verlangte sie, und wieder fühlte ich mich ertappt. Auch das noch, wo ich doch gerade einen halbwegs gangbaren Weg gefunden hatte, sie zu zähmen! »Wandert in ihnen herum wie in einer Landschaft. Denkt nicht nur daran, wie euer Leben in dieser glücklichen Situation aussieht. Son dern hört die Geräusche um euch herum! Saugt die Luft ein! Nach was duftet es in eurem Traum? Wie fühlt es sich an?«
    Natürlich musste ich sofort wieder an gestern Abend denken. Das wurde ja immer schöner. Schlimmer, meine ich. Oder, wie meine Tochter es so elegant formuliert hätte: Es wurde voll porno.
    Jetzt konzentrierte ich mich nur noch auf eines. Verzweifelt versuchte ich, mit geschlossenen Augen auf einer lila Yogamatte lie gend wie eine glückliche, berufstätige Ehefrau und Mutter auszuse hen. Wie spielte man das? Dieses leise Lächeln in den Mundwinkeln, wenn man an den Korb mit duftender Bügelwäsche dachte, an das gemeinsame Klavierspiel mit der Tochter, das Schwätzchen am Morgen im Lehrerzimmer, in der Hand eine Bürotasse mit lustigem Spruch? Aber ich schaffte es nicht. Und das lag nicht nur daran, dass ich unsere ukrainische Putzfrau alle zwei Wochen fürs Bügeln bezahlte, weil die das viel besser konnte als ich. Nicht nur daran, dass wir kein Klavier besaßen – und dass Ronja in letzter Zeit offensichtlich beunruhigende Interessen verfolgte, die nichts mit Hausmusik zu tun hatten. Auch nicht daran, dass der Lehrerzimmerkaffee nach drei Stunden auf der Wärmeplatte derart bitter schmeckte, dass wir ihn unter Kollegen nur als »Teufelsgebräu« bezeichneten.
    Ich konzentrierte mich so intensiv auf Bügelwäsche, dass ich zu erst gar nicht mitbekam, was neben mir geschah. Erst, als der Boden unter mir von einer raschen Bewegung vibrierte und nackte Füße über Linoleum huschten, öffnete ich die Augen und sah, dass sich Dr. Sidhoo und Geli über Bärbel beugten. Die hatte sich aufgerichtet und saß nun im Schneidersitz, den

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