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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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war?«
    »Du sprichst in Rätseln, und ich steh hier schon mit einem Fuß in der Haustür. Wo soll sie gewesen sein?«
    »Jedenfalls nicht im Unterricht. Sagt Frau Rosendingsbums. Die letzten Wochen zunehmend unregelmäßig, und angeblich deshalb, weil sie dauernd zum Arzt musste.«
    »Zum Arzt?«
    Das Letzte schrie er fast in den Hörer, so als hätte ich gesagt, dass Ronja ihre Vormittage als Callgirl in einem Sexklub verbrachte.
    »Torge, was ist denn los? Du klingst so nervös!«
    »Du aber auch«, gab er etwas pampig zurück. »Hast ja auch allen Grund dazu, wenn deine Tochter solche Eskapaden macht.«
    »Hast du ein Glück, dass deine Tochter nicht so ist«, gab ich ihm Kontra.
    »Entschuldigung«, seufzte er, »ich bin gerade auch ein bisschen überfordert mit ihr. Offensichtlich ist sie in einer Krise. Ich komm nicht mehr richtig an sie ran.«
    Wir schwiegen in den Hörer, und ich fühlte mich ihm nah. Wenn es etwas gab, das uns verband und immer verbinden würde, dann war es die Sorge um unser Kind.
    »Übrigens«, nahm er den Faden wieder auf, »gestern kam Post von der Schule, Informationen über ein Highschool-Jahr in den USA. Man kann sich da jetzt bewerben, auch semesterweise. Wenn du wieder zu Hause bist, sollten wir mal mit ihr darüber reden. Das könnte ihr guttun.«
    »Amerika, allein? Damit sie dann völlig unkontrolliert durchs New Yorker Nachtleben zieht?«
    »Nicht New York. Die haben eine Partnerschule in Alaska.«
    Alaska. Das klang nicht schlecht. Bärtige Lachsfischer in hüft hohen Gummistiefeln, viel Natur, Blockhütten, Kanufahren. Weit und breit keine Mangakostüme, keine Bionade trinkenden Emos und auch kein Sven.
    »Gib sie mir doch mal schnell«, sagte ich.
    »Ronja ist nicht zu Hause«, sagte Torge. »Sie wollte mit ihrem Freund irgendwohin.«
    »Aber nicht zu diesem grässlichen Fotoshooting?« Der kurze Moment der trügerischen Erleichterung war vorbei. Schon spürte ich wieder, wie das Adrenalin durch meine Adern pumpte.
    »Nicht, dass ich wüsste«, murmelte er.
    »Nicht, dass ich wüsste, was soll denn das heißen?«, fragte ich aufgebracht.
    Torge schwieg alarmierend lange. Mir schwante Böses.
    »Aber diesen Wisch mit der elterlichen Genehmigung – den hast du ihr nicht zufällig unterschrieben? Weil sie sich zufällig auf deinen Schoß gesetzt hat und dich zuckersüß angelächelt hat, deine Tochter?«, fragte ich schneidend.
    Er seufzte. »Nein. Natürlich nicht.«
    Manchmal war Torge eben doch in der Lage, ein Machtwort zu sprechen. Für einen Moment entspannte ich mich. Allerdings nur für einen kurzen Moment. So, wie Torge seine Worte ausgesprochen hatte, fehlte etwas am Schluss. Ein riesengroßes »Aber«.
    »Aber?«, fragte ich.
    »Unterschrift hin oder her, mach dir keine Illusionen«, sagte Torge. »Ronja ist sechzehn. Wir können sie nicht mehr kontrol lieren. Ronja ist ein freier Mensch. Ja, das ist sie. Ein freier Mensch.«
    Bei den letzten Worten klang seine Stimme auf einmal seltsam heiser.
    »Na großartig«, schimpfte ich, »so verstehst du also deine Verantwortung als Vater?«
    Er räusperte sich geräuschvoll. »Wir müssen ihr vertrauen.«
    Schon wieder wollte ich lospoltern, aber mir fehlten die Worte. Wahrscheinlich, weil ich tief im Inneren wusste, dass Torge recht hatte. Dass man Menschen loslassen musste, gerade weil man sie liebte, und dass man ihnen vertrauen musste, immer wieder aufs Neue, weil die Liebe Platz brauchte.
    »Ich würde so gerne«, sagte ich leise. »Ihr vertrauen. Wenn ich nur könnte.«
    »Uns bleibt ja gar nichts anderes übrig«, antwortete er.
    Wieder klang seine Stimme belegt.
    »Torge, was ist los? Weinst du etwa?«, fragte ich vorsichtig.
    »Ich … ach, weißt du, es ist … Sag mal, Mommelchen …«
    »Ja?«, gab ich zurück und war alarmiert. Irgendetwas stimmte da nicht, und zwar ganz gewaltig. Vielleicht war ich übersensibel, weil mein eigenes Gewissen mich quälte. Aber etwas sagte mir, dass es hier um mehr ging als um unsere Tochter. Vor allem, weil Torge mitten im Gespräch diesen Kosenamen verwendete. Der war sonst eher für intime Situationen reserviert.
    »Du, wir sollten unbedingt reden. Über Ronja. Aber … nicht nur. Passt es dir heute Nachmittag? Ich meld mich, ja? Und, Maike?«
    Immerhin beruhigend, dass er mich wieder beim Vornamen nannte.
    »Maike?«
    »Torge?«, kam ich ihm zuvor.
    »Ja?«, kam es hoffnungsfroh zurück.
    »Ich liebe dich«, sagte ich leise. Hörte mich diese Worte sagen, die so falsch

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