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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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irgendwann dieser große, schlaksige Kerl mit der Nerd-Brille und dem damals komplett unmodernen Bärtchen vor mir auf gebaut und mir einen Becher Bier mit Limo in die Hand gedrückt. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wären wir seit Jahren verheiratet und säßen zu Hause am Abendbrottisch. »Ich bin der Torge«, hatte er gesagt, »und wie du heißt, das weiß ich schon.« Erst später hatte er mir gestanden, dass er stundenlang mit sich gekämpft hatte, bis er sich zu dieser Geste durchgerungen hatte. Angemerkt hatte ich ihm seine Unsicherheit nicht. Torge war ein guter Schauspieler, und dass man es ihm nicht zutraute, war Teil seines Talents.
    Der talentierte Herr Johannsen.
    Ein Doppelleben wurde von Minute zu Minute wahrschein licher.
    Lisi tätschelte ihm mütterlich die Hand und strahlte ihn an.
    »Aber geh«, sagte sie tadelnd, »mir san hier doch alle per Du. Ich bin die Lisi.«
    »Schöner Anzug«, sagte Ann zu Lisi.
    »Ja, siehst du, das findest du nämlich auch.« Lisi nickte Ann übereifrig zu. »Also, der Bandix, unser Tourismusexperte, also der hat g’sagt, das sieht aus wie ein Schlafanzug. Dabei ist das das neue Wellness-Outfit. Ich hab mir gedacht, das kriegt künftig jede von euch Ladys aufs Zimmer, statt Morgenmantel, und wer’s mag, kann’s dann kostengünstig erwerben und mit nach Hause nehmen.«
    Dann musterte sie Torge und nickte beflissen. »An einer Herrenversion sind wir natürlich auch dran«, versicherte sie dann, »es soll ja auch gemischte Seminare geben. Wir sind da erst am Anfang einer langen Reise.«
    »Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen«, sagte Torge mit unbewegter Miene.
    »Ja, und jetzt …« Lisi sah mich durchdringend an. »Jetzt erzählts doch mal! Wie geht’s euch denn mit dieser Erfahrung hier?«
    »Welcher Erfahrung?«, gab ich verdattert zurück. Hatte sich das etwa so schnell herumgesprochen, in welchem merkwürdigen Drei ecksverhältnis Ann und ich zueinander standen?
    »Na, die Selbsterfahrung«, erklärte sie, »also, für mich ist diese Woche ja a ganz a spezielle Lektion, spirituell g’sehen. Auch wenn ich das nur von außen beobachte, was hier so vorgeht. Diese Gruppendynamik. So etwas wie – eine Expedition bei gleichzeitigem Stillstand. Aber in die Tiefe.«
    »Doch«, sagte ich gedehnt, »das mit der Tiefe kann ich bestätigen.«
    Sie blinzelte mich unter langen, schwarz getuschten Wimpern an, wartete, ob noch etwas kam, aber keiner von uns sagte etwas. Lisi Schleibinger trommelte etwas unsicher mit den Fingern auf dem Tresen, dann nahm sie einen tiefen Atemzug und knipste ihr strahlendstes Lächeln an.
    »So, und jetzt hat dein Mann also Sehnsucht bekommen«, sagte sie leutselig. »Wie lang mag er denn bleiben?«
    »So lange wie nötig«, sagte Torge diplomatisch.
    Lisi nickte irritiert, dann warf sie einen Blick auf das Display ihres Computers und scrollte wichtigtuerisch herum. »Also, ich könnt Ihnen … Ich meine, ich könnt dir jetzt noch den Last-minute-Tarif fürs Männer-und-Mehr-Weekend anbieten«, sagte sie. »Mit Schlemmer-Büfett und einer Wellnessanwendung nach Wahl, Ayurveda oder klassisch. Das wären dann zweihundertfünfzig im Doppelzimmer.«
    Keiner von uns reagierte, und Lisi Schleibinger sah zunehmend verunsichert aus der Wäsche.
    »Oder Einzelzimmer?«, schlug sie vor.
    Noch immer sagte keiner etwas.
    »Das wären dann aber fünfzig Eh-Zett-Zuschlag«, rechnete Lisi Schleibinger vor.
    »Ist okay«, sagte Torge müde. »Ich nehm’s. Für eine Nacht.«
    Dann sah er mich fragend an. Ich schwieg. »Erst mal«, fügte er an.
    »Nee, das find ich aber jetzt nicht gut«, klinkte sich Ann ein. »Ich meine, wenn du jetzt das Einzelzimmer nimmst. Du solltest ja schon bei deiner Frau schlafen. Irgendwie.«
    »Lasst euch von mir nicht stören«, sagte ich giftig. »Ihr habt ja sicher viel Nachholbedarf. Ich geh in das Einzelzimmer.«
    »Ich hätt auch noch ein zweites«, sagte Lisi und beäugte uns mit unverhohlener Neugier. »Das wär auch billiger, weil, es geht zur Hofseite.«
    »Na, dann sind wir uns ja einig«, beschloss ich. »Herr und Frau Johannsen bekommen jeder ihr eigenes WC, Ann schläft unter der Schamhaarfrau. Dann muss sie heute Abend auch keine schweren Koffer mehr packen.« In ihrem Zustand, wollte ich noch hinzufügen, verkniff es mir aber. Es reichte schon, wenn Lisi Schlei binger sich ihren Reim auf alle bisherigen Informationen machte. Morgen würde die ganze Insel über unser Drama Bescheid wissen, wenigstens in

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