Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
Vom Netzwerk:
der jungen Frau sehen. Sicherlich ging es ihr furchtbar und keiner konnte wahrscheinlich auch nur annähernd nachvollziehen, was die Mutter fühlte, welche Ängste sie ausstand. Und wenn jemand auch nur ansatzweise verstehen konnte,was in Miriam Kuipers vorging, dann, so glaubte Marlene, war sie es. Sie hatten quasi zusammen entbunden. Ihre Kinder hatten gemeinsam in der Säuglingsstation gelegen. Es hätte genauso gut Niklas sein können, der aus dem Krankenhaus verschwunden war.
    Bisher gab es wohl nach wie vor keine Spur. Aber die Schwestern sagten nicht viel. Außer, sie müsse sich keine Sorgen machen. Doch an ihren Gesichtern konnte sie den Schock über die Kindesentführung ablesen. Es war auch wirklich ein Albtraum. Und der war natürlich am schlimmsten für Miriam Kuipers.
    Marlene klopfte an die Zimmertür und öffnete sie anschließend einen kleinen Spalt. Miriam Kuipers lag in ihrem Bett und starrte an die Decke. Marlene nahm an, sie bekam nach wie vor starke Beruhigungsmittel, ansonsten war es kaum vorstellbar, wie es eine Mutter in dieser Situation im Bett aushielt.
    Langsam schob sie Niklas ins Zimmer und stellte das Bettchen neben dem Waschbecken ab. Sie wusste, es war nicht unbedingt taktvoll, den Kleinen mitzubringen, aber Marlene konnte ihn momentan nicht eine Minute aus den Augen lassen.
    »Miriam?«, flüsterte Marlene, als sie neben das Krankenbett trat. Die junge Frau drehte langsam den Kopf zu ihr. Ihr Blick wirkte so verloren und Marlene griff automatisch nach ihrer Hand. Sie wusste allerdings nicht, was sie sagen sollte. Wie tröstete man jemanden in dieser Situation? Gab es überhaupt einen Trost oder etwas, was man sagen konnte, um der anderen Mut zu machen? Und Hoffnung? Hoffnung darauf, das Kind schnell wieder in die Arme schließen zu können? Es gab ja nicht einmal eine Spur. Der Kleine war einfach verschwunden und keiner wusste, wohin.
    Irgendjemand war in das Krankenhaus eingedrungen – man hatte keine Ahnung, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war – und hatte den Säugling aus seinem Bettchen und seiner Welt gezerrt und damit gleichzeitig der Mutter das Herz herausgerissen. Fatal war zusätzlich, dass der Kleine nach wie vor einer intensiven Betreuung bedurfte. Er war klein und schmächtig und hatte sich gleich eine Infektion eingefangen. Ohne die ärztliche Betreuung und seine Medikamente stand es schlecht für den Kleinen.
    Niklas knötterte in seinem Bettchen und plötzlich blitzte etwas in Miriam Kuipers Augen auf. Sie setzte sich langsam aufrecht hin und blickte zum Kinderbettchen hinüber.
    Marlene hoffte, ihr Sohn würde wieder einschlafen, denn sie war sich nicht sicher, was das Baby bei der Patientin auslöste. Doch Miriam Kuipers war plötzlich wie verwandelt.
    »Darf ich ihn halten?«, bat sie Marlene und ihre Augen leuchteten geradezu.
    Marlene fühlte ihr Herz einen Schlag aussetzen. Ihr Mund war ganz trocken, daher nickte sie nur, obwohl sie nicht sicher war, ob das allen Beteiligten guttun würde, wenn Miriam ein Baby in den Armen halten würde. Trotzdem ging sie zu Niklas hinüber und hob ihn aus dem Bett. Sie drückte ihn an sich, ehe sie zu Miriam Kuipers ging und ihn ihr reichte. Ganz genau beobachtete sie die Reaktion der Frau, doch das Lächeln auf dem Gesicht der anderen verriet, es war richtig, ihr den Kleinen gegeben zu haben. Der Blick war klar und Marlene seufzte innerlich.
    »Er ist niedlich«, flüsterte Miriam Kuipers und streichelte seine Wangen. »Genauso wie mein Junge.«
    Marlene hielt den Atem an.
    »Ich habe mir so lange ein Kind gewünscht. Keiner hat mich wirklich verstanden, dass ich total verzweifelt war, weil es nicht klappte. Ich sei noch so jung, haben alle immer nur gesagt. Ich hätte noch so viel Zeit.«
    Für einen kurzen Moment löste Miriam Kuipers den Blick von dem Baby und blickte zum Fenster hinaus. Es herrschte eine angespannte Stille, Marlene war sich nicht sicher, was jetzt passieren würde. Ängstlich blickte sie auf Niklas, der sich allerdings recht wohl im Arm der anderen Frau zu fühlen schien. »Aber ich wollte unbedingt ein Kind!« Die junge Frau wandte ihren Kopf und schaute Marlene direkt an. In ihrem Blick konnte sie die Entschlossenheit sehen. Entschlossenheit, gepaart mit einer Wut, die Marlene auf die Entführung des Kindes zurückführte. Doch das allein war es nicht, was Miriam Kuipers wütend machte.
    »Und während ich von Monat zu Monat hoffte, waren da all diese Frauen, die schwanger wurden und überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher