Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
meldete er sich nicht?
»Glauben Sie mir«, versicherte der andere Beamte, der Erika Matzen am Arm griff, um sie vom Stuhl hoch zu ziehen, »die meisten Fälle klären sich schneller auf, als man denkt.«
»Haie, kannst du heute Nachmittag auf Niklas aufpassen?« Tom saß am Frühstückstisch und schnitt ein Marmeladenbrot für seinen Sohn in kleine Quadrate.
»Na sicher passt der Onkel Haie auf dich auf«, antwortete Haie an Niklas gewandt und zupfte dem Kleinen leicht am Ohr. Der jauchzte vor Vergnügen.
»Mehr, mehr!«, forderte Niklas und Haie kam diesem Wunsch zu gern nach. Er liebte den Jungen über alles, auch wenn er nicht sein Sohn war. Wahrscheinlich lag es daran, weil er in dem Kleinen ein Stück von Marlene weiterleben sah und das machte ihn jeden Tag aufs Neue froh. Für Tom hingegen war es oft eine Qual, wenn er in den blauen Augen seines Kindes die so schmerzlich vermisste Geliebte entdeckte, und es stimmte ihn daher oftmals traurig, wenn er sah, wie sehr Niklas nach seiner Mutter kam. Vielleicht war das auch der Grund, warum er den Jungen Haie so oft aufhalste, anstatt sich selbst um ihn zu kümmern. Kaum verwunderlich also, dass Haie und Niklas oft weitaus besser miteinander auskamen als Vater und Sohn. Momentan war Tom das allerdings egal. Er war froh, wieder einigermaßen Boden, wenn auch noch recht wackeligen, unter seinen Füßen zu spüren. Anfangs hatte er gedacht, er packe das mit der Arbeit nicht, aber der Job lenkte ihn zumindest von seiner Trauer ab und brachte ihn wenigstens ab und an auf andere Gedanken.
»Wie geht es denn in Dagebüll voran?«
»Och, eigentlich ganz gut«, entgegnete Tom. »Diese Ferienanlage wird echt ein super Gewinn für die Region. Wenn sie denn endlich fertiggestellt werden kann.«
»Wieso, gibt es Probleme?«
»Naja, ein paar Einheimische sträuben sich, ihr Land zu verkaufen. Kennst ja die sturen Nordfriesen.« Tom steckte eines der Marmeladenquadrate in Niklas weit aufgesperrten Mund. »Ist ja nicht so einfach. Die sollen schließlich ihre Häuser verkaufen, oder? Also würdest du …?«
»Warum nicht?« Seit Marlenes Tod sah Tom viele Dinge anders. Nichts war für die Ewigkeit. Das hatte er mehr als deutlich zu spüren bekommen. Und was machte es dann für einen Unterschied, in welchem Haus man lebte? Die Baufirma machte den Eigentümern zudem großzügige Angebote. »Aber bis auf einen haben wir langsam alle umgestimmt. Ab einer gewissen Summe ist halt doch jeder käuflich.«
»Und auf den einen seid ihr angewiesen?«
Tom nickte. »Leider. Sein Grundstück liegt mittendrin im Baugebiet. Keine Chance drumherum zu bauen.« Das Projekt war für Dagebüller Verhältnisse riesig. Direkt hinter dem Außendeich sollte eine große Feriensiedlung mit über 100 kleinen Häuschen und Wohnungen entstehen. Dazu ein Tennisplatz, eine Badelandschaft und Einkaufsmöglichkeiten. Haie stand dem Vorhaben mit geteilter Meinung gegenüber. Natürlich war es gut, Urlauber in die Region zu locken. Das schaffte Arbeitsplätze, und die konnten sie hier dringend gebrauchen. Viele Möglichkeiten außer dem Tourismus, der Landwirtschaft und ein paar kleineren Unternehmen bot der nördlichste Landstrich des Kreises wirklich nicht. Aber musste man dafür so stark in die Landschaft und das Leben der Einheimischen eingreifen? Außerdem wurde viel freie Fläche bebaut, der weite Blick genommen. Schön sah das jedenfalls nicht aus und ob es der Umwelt gut bekam, wagte Haie auch zu bezweifeln. Die zahlreichen Touristen würden rücksichtslos durch die Landschaft stapfen, Vögel beim Brüten stören, im Watt die letzten Seesterne aufklauben, und auch wenn es verboten war, ihre Strandmuscheln am Deich aufbauen und dadurch den Schutzwall ruinieren. Tom gegenüber hielt sich Haie jedoch mit seinen Argumenten zurück. Er war froh, dass der Freund sich wieder aufgerafft hatte und arbeiten ging. Auch wenn das Projekt, das Tom vorantrieb, ihm ein Dorn im Auge war. »Und was macht ihr, wenn der Typ nicht verkaufen will?«
»Der Typ heißt Heinrich Matzen und hält sich für etwas ganz Besonderes.« Tom war auf den Mann nicht gut zu sprechen, denn bisher waren die Gespräche mit dem Hausbesitzer nicht sonderlich angenehm gewesen. Tom hielt ihn für ein arrogantes Arschloch. »Tja, was sollen wir machen, wenn er nicht verkaufen will?«
Die Mail an die Hamburger Polizei war erst wenige Augenblicke gesendet, da klingelte Thamsens Telefon.
»Peer Nielsen, LKA Hamburg, Mordkommission. Guten
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