Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
Sommerferien und er hatte für sich, seine Freundin Dörte und die Kinder eine Reise nach Amerika gebucht. Anne und Timo wussten noch nichts von ihrem Glück. Er hatte ihnen erzählt, sie würden in ein Ferienhäuschen nach Dänemark fahren und dafür auch schon vernichtende Kommentare geerntet. »Das ist doch was für Familien mit Babys.« »Wie langweilig, da ist es doch genau wie hier.« »Null Aktion.«
Thamsen jedoch rieb sich innerlich die Hände, während er schweigend das Gemaule der Kinder ertrug. Das würde eine Überraschung sein. Er freute sich schon sehr, zumal er lange auf die Reise gespart hatte. Außerdem würde es wahrscheinlich der letzte große gemeinsame Urlaub sein, denn Timo war mittlerweile beinahe erwachsen und wäre dieses Jahr lieber mit seinen Freunden als mit seinem alten Herrn in die Ferien gefahren. Thamsen war auf Timos Gesicht gespannt, wenn sie anstatt Richtung Dänemark zum Hamburger Flughafen fuhren.
Er holte sich wie gewöhnlich eine Tasse Kaffee aus der Gemeinschaftsküche und machte sich dann daran, seine Mails durchzugehen. Viel war seit gestern Abend nicht passiert, lediglich ein paar Nachrichten aus dem Presseticker der Polizei sowie eine Anfrage einer Krimiautorin, ob sie einmal die Dienststelle besuchen dürfte und er für ein paar Fragen zur Verfügung stand. Er hatte seit Jahren kein Buch mehr gelesen und musste schmunzeln bei der Vorstellung, dass in dem ersten, das er vielleicht dann wieder in die Hand nehmen würde, er die Hauptfigur sein könnte. Thamsen schrieb der Autorin, er sei gern zu einem Gespräch bereit, und fragte, wann sie vorbeikommen wollte. Wie eine Krimiautorin wohl aussieht, fragte er sich und zuckte zusammen, als es plötzlich an seiner Tür klopfte.
»Herein?« Er nahm an, es sei einer seiner Mitarbeiter und staunte daher nicht schlecht, als eine ältere Dame die Tür öffnete und wie eine Furie auf ihn los stürmte. Gleich darauf stürzte ein Polizist in den Raum.
»Ich bat Sie draußen zu warten.« Er packte die Frau am Arm und versuchte, sie aus Thamsens Büro zu zerren. Doch die Alte wehrte sich mit Leibeskräften.
»Sie müssen meinen Mann finden. Er ist weg«, krakeelte sie. »Sie müssen etwas tun.«
Dirk verfolgte kurz das Handgemenge vor seinem Schreibtisch, stand dann auf und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Nun mal mit der Ruhe. Wir kümmern uns ja, aber Sie müssen sich anständig benehmen und ruhig erzählen, was passiert ist. Ansonsten können wir Ihr Anliegen nicht bearbeiten. Wie ist überhaupt Ihr Name?«
Die ältere Frau, die durch Thamsens Ansprache plötzlich wie versteinert wirkte, schluckte. »Erika Matzen.«
»Und, Frau Matzen, was genau ist passiert?« Er deutete mit seiner Hand auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Erika Matzen zögerte einen Moment. Sie durften keine Zeit verlieren, schließlich war Heinrich nun beinahe 24 Stunden verschwunden. Gemeldet hatte er sich auch nicht. Erika hatte die ganze Nacht vor dem Telefon ausgeharrt, mehrere Male den Hörer abgenommen, um zu überprüfen, ob der Anschluss überhaupt funktionierte. Doch Heinrich hatte nicht angerufen, und von Stunde zu Stunde war ihre Angst größer geworden, bis sie es fast nicht mehr ausgehalten hatte. Da sie keinen Führerschein besaß, hatte sie auf den Schulbus warten müssen. Zwischen plappernden Kindern mit riesigen Tornistern war sie nach Niebüll gefahren. Den restlichen Weg vom ZOB zur Polizeidienststelle war sie beinahe gerannt.
»Ja, mein Mann ist gestern in Hamburg verschwunden«, entschied sie sich nun doch, die ganze Geschichte zu erzählen. Lange würde sie ohnehin nicht brauchen, daher setzte sie sich nur auf die Kante des Holzstuhls. Dirk Thamsen hörte der Frau aufmerksam zu. Er stellte ein paar Fragen und entschied, dass man eine Vermisstenanzeige aufnehmen würde. Etwas seltsam war die Sache, aber wer wusste schon, was zwischen den Eheleuten vorgefallen war und Erika Matzen ihm vielleicht verschwieg.
»Wir leiten die Anzeige an die Kollegen in Hamburg weiter – und dann schauen wir mal«, versuchte er, die Frau ein wenig aufzumuntern. Mehr konnten sie momentan ohnehin nicht tun, denn dass Heinrich Matzen suizidgefährdet sein könnte, hatte seine Frau ausgeschlossen. Erika Matzen nickte langsam, stand aber nicht auf. Sie konnte nicht begreifen, dass das alles war, was die Polizei wegen Heinrichs Verschwinden tat. Sie mussten doch nach ihm suchen. Ganz offensichtlich war ihm etwas zugestoßen. Warum sonst
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