Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
darf ich?« Er machte Anstalten einzutreten. Die ältere Frau zögerte kurz, öffnete dann aber die Tür.
»Ich bin am Aufräumen. Sortiere die letzten Kisten nach dem Umzug«, erklärte sie entschuldigend das Chaos. Thamsen blickte sich in dem kleinen, aber hellen Wohnzimmer um, in dem ein heilloses Durcheinander herrschte. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Glas Wasser«, bat er sie.
Lina Umbrecht nickte und verschwand in Richtung Küche. Thamsen betrachtete in der Zeit die Bilder über einem Sideboard aus Eichenholz. Die meisten mussten älteren Datums sein, denn auf einigen war Lina Umbrecht abgebildet, wirkte allerdings wesentlich jünger. Nur ein Foto schien aktueller zu sein und zeigte sie mit ihren ehemaligen Nachbarn vorm Deich. Seltsam, befand Thamsen, kam aber nicht weiter dazu, darüber nachzudenken, da die ältere Frau zurückkehrte und ihn bat, Platz auf dem geblümten Sofa zu nehmen. Das Glas Wasser stellte sie vor ihn auf den gläsernen Couchtisch und setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel, nachdem sie einen Karton zur Seite geräumt hatte.
»Nun, wie kann ich Ihnen helfen?«
Thamsen räusperte sich. »Also es geht um die Dame im Rollstuhl.« Die Miene seines Gegenübers blieb unverändert. »Sie hatten den Wagen gesehen. Können Sie sich an das Fabrikat erinnern?«
Sofort schüttelte sie den Kopf. »Ich kenne mich leider mit Autos so gar nicht aus. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass er schon älter war, glaube ich.«
»Wie alt, ein Oldtimer?«
»Nein, so alt nicht, aber vielleicht 20 Jahre?« Komisch, angeblich konnte sie sich doch nicht erinnern, um was für einen Wagen es sich handelte, grübelte Thamsen, während er einen Schluck Wasser trank.
»Und die Farbe?«
»Grün. Das weiß ich ganz genau, denn das ist meine Lieblingsfarbe.« Sie lächelte ihn an.
»Und der Halter kam aus Hamburg?«
»Ja, saß ein junger Mann drin.«
»Ich dachte, Sie erinnerten sich an nichts als das Kennzeichen HH?«, konfrontierte er sie mit ihren widersprüchlichen Aussagen.
Lina Umbrechts Lächeln verschwand. »Ist mir erst später eingefallen«, entgegnete sie trotzig.
»Und da haben Sie uns nicht verständigt?«
»Ich wusste ja nicht, dass es wichtig ist.«
»Und ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
Lina Umbrecht schüttelte den Kopf, hatte aber noch eine wichtige Information parat. »Nur die Ziffern auf dem Nummernschild. 1972 – ist nämlich das Geburtsjahr meines Neffen, müssen Sie wissen.«
»Was? Und das erzählt die erst jetzt?« Peer Nielsen war mehr als aufgebracht. Das waren viel mehr Informationen, als die alte Nachbarin ihnen beim Leichenkaffee hatte zukommen lassen. Er schüttelte den Kopf. War ja mal wieder typisch. Sonst tratschten die Leute sich tot, aber wenn es um wirklich wichtige Details ging, kriegten sie die Zähne nicht auseinander. Verärgert legte er auf und gab die Daten gleich an die Zulassungsstelle weiter. Wenig später bekam er als Halter einen Andreas Meinhardt genannt. Nielsen starrte auf den Namen. Führte diese Spur zum Täter? Noch wussten sie nicht, was die Frau im Rollstuhl oder der junge Mann mit den Ermordeten zu tun hatten, aber das ließ sich herausfinden. Er stand auf und ging ins Nachbarbüro. Normalerweise hätte er sich allein auf den Weg gemacht, aber er hatte die Worte seines Chefs nur zu gut im Ohr.
»Wir haben einen wichtigen Hinweis und müssen raus zum Billwerder Billdeich.«
»Jetzt noch?« Carsten Hinrichs blickte ihn entnervt an. Wahrscheinlich hatte er gerade Feierabend machen wollen.
»Ich komme mit«, meldete sich Michael Boateng, der plötzlich in der Tür stand. Nielsen nickte nur.
»Der Carsten ist doch neulich Vater geworden. Der will immer zeitig daheim sein«, erklärte Boateng den Unwillen des Kollegen, als sie auf die B 5 Richtung Bergedorf fuhren.
»Echt?« Peer wusste gar nicht, dass sein Mitarbeiter Nachwuchs bekommen hatte. Wahrscheinlich gab es einiges, das er nicht mitbekommen hatte. Er würde in Zukunft aufmerksamer sein, nahm er sich vor. Schließlich wollte er nicht nur ein guter Polizist, sondern auch ein toller Teamleiter sein. Wenngleich er das Bepuscheln seiner Angestellten als sehr anstrengend empfand. Wenig später bog er auf den Deich ab und sah nach wenigen hundert Metern den grünen Wagen vor einem kleinen Einfamilienhaus stehen. Es handelte sich um einen alten Mercedes, und Lina Umbrecht hatte recht, der Wagen war mindestens 20 Jahre alt, wenn nicht sogar älter. Aber top in Schuss.
»Und
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