Friesenrache
können es vertragen, beruhigte er sich angesichts der Mengen, welche die beiden vertilgten. Während die beiden ihr Eis löffelten, stand er auf und ging zur Toilette. Als er zurück in den Gastraum kam, blieb er kurz an der Theke stehen.
»Ich hab da mal eine Frage.«
Die beiden Männer und der Wirt schauten ihn misstrauisch an.
»Ich ermittle im Todesfall Kalli Carstensen.« Die Blicke der anderen verfinsterten sich, doch ansonsten gab es keine weitere Reaktion.
»Ich hab gehört, dass es hier am Dienstagabend immer einen Stammtisch gibt?« Kopfnicken.
»Und Kalli Carstensen war am Dienstagabend hier?« Wieder Nicken. Thamsen spürte, dass er mit derartigen Fragen nicht weiterkam, und änderte seine Taktik.
»Wie standen Sie denn zu dem Verstorbenen?«, sprach er den Wirt an.
Der wirkte angesichts der direkten Ansprache durch den Kommissar verdutzt.
»Ich?«, fragte er deshalb nach und tippte mit seinem Zeigefinger an seine Brust.
Diesmal war es Thamsen, der lediglich durch ein Nicken antwortete.
»Ja«, der Wirt kratzte sich verlegen am Kopf, »was soll ich da sagen?« Er blickte die beiden Gäste am Tresen an, die sich krampfhaft an ihren Biergläsern festhielten.
»Der Kalli war ein Gast wie jeder andere. Kam immer dienstags hier zum Stammtisch, ab und zu auch mal zwischendurch. Hat immer seine Zeche gezahlt. Sonst kann ich dazu nichts sagen.«
»Und wer war sonst noch bei diesem Stammtisch?«
Der Befragte nannte eine Reihe von Namen. Thamsen notierte alle auf seinen kleinen Schreibblock, den er immer bei sich hatte. Rund zehn Personen trafen sich regelmäßig am Dienstagabend in der Gastwirtschaft. Bei dem einen oder anderen Bier tauschte man die Neuigkeiten aus dem Dorf aus und spielte dabei hin und wieder Skat oder Doppelkopf. Auch vergangene Woche hatten einige der Männer zusammengesessen. Kalli Carstensen sei auch dabei gewesen.
»Ist etwas Ungewöhnliches vorgefallen? Gab es vielleicht Streit?«
Alles sei wie immer gewesen, sagte der Wirt, und seine Gäste bestätigten das. Man habe etwas getrunken, geredet und Karten gespielt. Gegen Mitternacht hatte sich die Runde langsam aufgelöst. Ob sie mitbekommen hätten, als Kalli Carstensen gegangen sei.
Sie nickten.
»War er in Begleitung?«
Ole Jessen und Manni Thiele hätten mit ihm zusammen die Gastwirtschaft verlassen. Alle seien wie immer zu Fuß gewesen und gemeinsam aufgebrochen. Die Strecke, welche die Männer miteinander zurückgelegt hatten, war jedoch nicht besonders lang. Nur wenige Schritte von der Gastwirtschaft entfernt trennte sich bereits ihr gemeinsamer Heimweg. Ole Jessen und Manni Thiele wohnten ein Stück die Dorfstraße entlang Richtung Lindholm, und Kalli Carstensen hatte ja in den Koog hinausgemusst.
»Und dahin ist er auch gegangen?«
Der Gastwirt zuckte mit den Schultern. »Da müssen Sie Ole und Manni schon selbst fragen.«
Thamsen machte sich hinter den beiden Namen auf seiner Liste einen Vermerk.
»Und wie gut kennen Sie den Bruder, Friedhelm Carstensen? Kommt der auch zum Stammtisch?«
Die drei Männer winkten fast gleichzeitig ab. Der Bruder des Verstorbenen habe die Gastwirtschaft nie betreten, wenn auch nur die geringste Chance bestanden hatte, Kalli über den Weg zu laufen.
»Wegen dem Streit um den Nachlass?«, hakte Thamsen nach.
Die Erbstreitigkeiten seien lediglich das i-Tüpfelchen auf das langjährige schlechte Verhältnis der beiden gewesen. Auch vor dem Tod der Mutter waren die beiden Brüder nicht gut aufeinander zu sprechen gewesen. Worauf das zurückzuführen sei, darüber konnte allerdings keiner der Anwesenden eine Auskunft geben.
»Aber der Kalli hat auch kein gutes Haar an dem Friedhelm gelassen«, räumte der Gastwirt ein, und die beiden anderen bestätigten seine Aussage. Sein Bruder sei halt ein Versager, pflegte Kalli Carstensen stets zu sagen. Eine Schande für die Familie. Zu nichts hätte er es gebracht, sei immer noch der kleine Bäckergehilfe, der ganz kleine Brötchen backte.
Thamsen nickte. Die Angaben des Wirts deckten sich mit der Aussage Friedhelm Carstensens, dass es seinem Bruder immer nur ums Geld gegangen war. Anscheinend hatte es für den Toten wirklich nur diesen Maßstab gegeben. Er konnte sich vorstellen, wie sehr Friedhelm Carstensen unter den Lästerattacken seines Bruders gelitten haben musste. Wer wurde schon gern als Loser dargestellt? Er fragte, ob
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