Friesenrache
Gemütszustand.
Der Inhaber nannte den Preis. Sie schluckte.
»Ich habe aber noch ein ganz ähnliches Werk. Nur etwas kleiner«, fügte der blonde Mann schnell hinzu, als er ihre Reaktion wahrnahm. Er sah sich das Geschäft bereits durch die Lappen gehen, aber zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf.
»Akzeptieren Sie Kreditkarten?«
Das Bild in Packpapier gewickelt unter den Arm geklemmt, verließ Marlene die Galerie. Als sie den Kreditkartenbeleg unterschrieben hatte, war kurz ihr schlechtes Gewissen aufgeflammt. So viel Geld für ein Gemälde. Du bist verrückt! Doch sie war sich ganz sicher. Das war ihr Bild. Freudestrahlend lief sie zurück zum Hotel.
In der Eingangshalle stieß sie mit Haie zusammen.
»Was machst du denn hier?«, fragte er, doch als sein Blick auf das sperrige Paket unter ihrem Arm fiel, beantwortete das bereits seine Frage.
»Sag bloß, du hast ein Bild gekauft? Zeig mal!«
Sie trat einen Schritt zur Seite und entfernte das Packpapier. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie das Bild enthüllte.
»Sieht teuer aus«, war Haies erster Kommentar und weckte damit wieder Marlenes schlechtes Gewissen.
»Aber die Farben. Ich finde der Künstler hat eine einzigartige Stimmung eingefangen«, verteidigte sie ihren kostspieligen Geschmack.
»Schon«, stimmte der Freund zu. Wer denn der Maler sei?
Danach hatte Marlene gar nicht gefragt. Es war ihr nicht wichtig. Sie war lediglich von dem bewegenden Gefühl, das dieses Bild in ihr ausgelöst hatte und welches sich mit ihrer momentanen Gemütsverfassung eins zu eins deckte, überwältigt gewesen.
»Ich finde es trotzdem schön«, sagte sie und packte ihre Errungenschaft wieder sorgfältig ein. Dabei erkundigte sie sich nach Tom.
»Der scheint noch zu schlafen. Hab zwar ein, zwei Mal angeklopft, aber da hat sich nichts geregt. Ich wollte euch ja auch nicht stören.«
Er spielte auf Toms gestrige Reaktion an. Gleichzeitig prophezeite er ihr, dass der Freund über ihre künstlerische Anschaffung auch nicht gerade erfreut sein würde. Sie überging absichtlich Haies Vorhersage und hakte sich schnell bei ihm ein.
»Dann gehen wir beiden eben schon mal frühstücken. Der Faulpelz hat selbst Schuld, wenn er den halben Tag verschläft.«
Thamsen war an diesem Sonntagmorgen früh aufgestanden. Die Kinder schliefen noch, und so schlüpfte er leise in seine Sportsachen und verließ die Wohnung. Er liebte es, am Morgen laufen zu gehen, wenn alle anderen noch in ihren Betten lagen und man nur selten auf jemanden traf. Während ihn die Füße automatisch hinaus in den Gotteskoog trugen, ließ er seinen Gedanken freien Lauf.
Seine ersten Überlegungen galten dem heutigen Tag. Er war mit Timo und Anne zum Mittag bei seinen Eltern eingeladen. Besonders viel Lust hatte er auf den Besuch nicht. Er tat es hauptsächlich den Kindern zuliebe. Und seiner Mutter. Sie hatte die Einladung ausgesprochen. Vermutlich gegen den Willen seines Vaters.
»Der Junge muss endlich lernen, mit den Kindern allein klarzukommen«, hatte er ihr sicherlich vorgehalten, als sie das gemeinsame Mittagessen vorschlug. Dabei ahnte er nicht, dass Dirk inzwischen bestens zurechtkam. Gut, hin und wieder bat er seine Mutter, für ihn einzuspringen. Aber ansonsten hatte er sein Leben relativ gut in den Griff bekommen. Aber das interessierte seinen Vater nicht. Hatte es eigentlich noch nie. Thamsens Verhältnis zu seinem Erzeuger war kein sonderlich gutes. Die Beziehung der beiden gestaltete sich schon immer schwierig. Bereits als Kind erschien es ihm stets so, als sei er nur ein Störfaktor im Leben seines Vaters. Woran das allerdings lag, wusste er bis heute nicht. Aber es machte seiner Ansicht nach auch keinen Sinn, sich diesbezüglich immer wieder das Gehirn zu zermatern. Zu häufig hatte er darüber gegrübelt und gegrübelt und war doch zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen.
Nach dem Essen würde er sich deshalb mit den Kindern so schnell wie möglich wieder aus dem Staub machen. Bei dem guten Wetter konnten sie eigentlich mal einen Ausflug nach Schleswig ins ›Haitabu-Museum‹ machen. Das wünschten sich Timo und Anne schon lange. Weitere Ermittlungen würde er heute sowieso nicht durchführen können. Es war Sonntag, und wenn kein dringender Tatverdacht bestand, konnte er unmöglich bei fremden Leuten auftauchen und Fragen zu dem Mordfall stellen. Das würde bestimmt Ärger geben, und den
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