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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu tun. Doch wenn der Täter nicht aus dem Dorf kam, sondern tatsächlich von außerhalb, dann würde diese Tatsache für Barne Christiansen als möglichen Mörder sprechen. Der allerdings hätte sich einen Mietwagen nehmen müssen. Es sei denn, er war mit seinem eigenen Pkw aufs Festland gereist, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Aber besaß Barne überhaupt ein Auto? Und hatte die Polizei diesen auf Spuren untersucht? Er beschloss, den Kommissar später darauf anzusprechen.
      Die Kirche war mittlerweile bis auf den letzten Platz besetzt. Orgelmusik setzte ein, der Pastor trat neben den Sarg. Beinahe unmerklich nickte er der Witwe zu, ehe er die Hände faltete und die Augen zu einem stillen Gebet schloss, welches bis zum Schlussakkord des vorgetragenen Liedes aus Händels Oper ›Xerxes‹ andauerte.
      »Liebe Familie des Heimgegangenen, Freunde und Gäste, liebe Trauergemeinde. Wir haben uns hier im Haus des Herrn versammelt, um Abschied von Kalli Carstensen zu nehmen.«
      Ein lautes Schluchzen ertönte bereits nach den wenigen ersten Worten des Geistlichen. Haie reckte neugierig seinen Hals, sah, wie Ulf Carstensen tröstend den Arm um seine Mutter legte.
      »Unvermittelt und vor allen Dingen gewaltsam wurde unser lieber Bruder aus unserer Mitte gerissen. Wir alle fragen uns warum? Wieso lässt Gott so etwas zu? Aber ich sage euch, die Wege des Herrn sind nun einmal unergründlich.«
      Dirk Thamsen, der zwischen zwei älteren Damen in raschelnden schwarzen Kleidern saß, zog ein wenig abfällig seine rechte Augenbraue hoch. Er schlussfolgerte bereits aus den einleitenden Worten des Pastors, dass dieser in seiner Trauerrede keinerlei Spekulationen über einen möglichen Täter zum Ausdruck bringen würde.
      Er bedauerte diesen Umstand, denn nur zu gern hätte er die Reaktionen der anwesenden Trauergäste gesehen, wenn der Geistliche Hypothesen über den vom Weg abgekommenen Mörder aufstellte oder vielleicht sogar den Verdacht äußerte, dass der mutmaßliche Täter sich unter ihnen befand. In einer modernen religiösen Welt musste so etwas doch erlaubt sein, oder?
      Aber wie so häufig brachte der Pastor den brutalen Mord eines Dorfbewohners mit dem unergründlichen Plan Gottes in Verbindung und legte über das Geschehen die göttliche Allmacht, deren Ausmaß einem kleinen Erdenbewohner nicht einmal annähernd bewusst sein konnte. Wahrscheinlich war das der Grund, warum er vor Jahren aus der Kirche ausgetreten war. Er war Polizist, da ließen sich Verbrechen nun einmal nicht mit einem Gottesplan erklären. Jede Tat hatte Thamsens Auffassung nach ein Motiv, einen Grund, warum der Täter so und nicht anders handelte. Ob das nun von Gott gewollt war, sei einmal dahingestellt. Aber um in die Abgründe eines grausamen Verbrechens hinabzugleiten, war es nun einmal notwendig, dessen Hintergründe zu erforschen. Da konnte man einen Raubmord oder ein Eifersuchtsdrama nun einmal nicht mit Gottes Willen begründen. Wer wusste denn, ob es der Wille des Allmächtigen war, dass die Menschen sich gegenseitig die Köpfe einschlugen? Was war das überhaupt für ein Gott, der solche Verbrechen zuließ oder vielmehr sogar anstrebte?
      Er schüttelte kaum merklich den Kopf und zog damit die Blicke der beiden in Schwarz gekleideten Damen auf sich. Seine unbedachte Geste stand wohl in einem krassen Gegensatz zu dem, was der Geistliche gerade über den dahingeschiedenen Landwirt gesagt hatte.
      Allerdings schloss der Pastor gerade seine Trauerrede mit einem weiteren Gebet und stellte anschließend die Frage an die anwesenden Gäste, ob unter ihnen jemand sei, der ein paar tröstende Abschiedsworte sprechen wollte.
      Der Raum wurde plötzlich von einer Unruhe erfasst, welche an die Atmosphäre in einem Klassenraum erinnerte, in dem der Lehrer auf der Suche nach einem Freiwilligen war, der an die Tafel treten sollte.
      Blicke huschten durch das Kirchenschiff. Erwartungsvoll wurden die Hälse verdreht. Doch auch auf dieser letzten Feier, der Kalli Carstensen, wenngleich auch tot in einem Holzkasten liegend, beiwohnte, wurde deutlich, dass der Verstorbene sich nicht allgemeiner Beliebtheit im Dorf erfreut hatte. Keiner der anwesenden Gäste erklärte sich bereit, auch nur wenige gute Worte über den Verstorbenen zum Ausdruck zu bringen. Lieber schwieg man, als heuchlerische Phrasen vorzutragen. Das musste man den Leuten hier im Norden zugutehalten. Ehrlichkeit wurde großgeschrieben.
      Und so

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