Friesenschnee
Weltuntergang. Überall Bullen. Kannst du mich nicht hier herausholen?« Wie sollte Ohmsen das bewerkstelligen? An seine eigenen Autos kam er nicht heran, und die Taxifahrer hatten vielleicht schon seine Beschreibung vorliegen. Andererseits musste Lollo nicht wissen, dass sein Domizil gerade gefilzt wurde. Er würde nur in Panik geraten, schließlich war Ohmsen selbst in höchster Aufregung. Nein, es galt, irgendwie Ruhe zu bewahren. Vielleicht könnten sie mit dem Theaterbus unverdächtig zum Altonaer Schanzenviertel gelangen, um abzutauchen, bis sich die Wogen ein wenig geglättet hatten. »Wo steckst du denn, Lollo?«
»Im Café del Sol, gleich um die Ecke vom Schauspielhaus. Eben haben sie auf der anderen Seite einen von deinen Kunden hoppgenommen, und Unmengen von Streifenwagen flitzen hier durch die Gegend. Der Tank vom Transit ist so gut wie leer, und ich habe keine Kohle mehr. Was soll ich tun?«
Das waren besorgniserregende Neuigkeiten. Dass Lollo kein Geld mehr hatte, war keine Neuigkeit, sondern ein chronischer Dauerzustand, der auch mit pekuniärem Nachschub nicht zu heilen war.
»Lollo, ist Pimmel bei dir?«
»Nein, der hat sich vor zehn Minuten auf die Socken gemacht. Er hatte sich mit Jenny gekabbelt. Ich weiß nicht, wo er hin ist.«
Ohmsen konnte einen Fluch nicht unterdrücken. »Verdammt. Pass auf, Lollo, wir machen das anders. Du holst den Transit, und dann kommst du beim Hotel Maritim vorgefahren. Du kennst den Kasten, wir sind nach eurem letzten Gastspiel in Kiel dort an der Bar versackt. Dann tanken wir den Zossen auf und machen uns nach Hamburg aus dem Staub. Beeile dich.«
Lollo stimmte eilfertig zu. Ohmsen legte dem Kellner seine Kreditkarte hin. Erleichtert quittierte er den Beleg und machte sich auf den Weg ins Foyer. In wenigen Minuten würde er abgeholt werden.
Sein Handy klingelte erneut. Dieses Mal klang Lollos Stimme verwundert.
»Er ist weg. Spurlos verschwunden. Ich kann mir das nicht erklären.«
Ohmsen versuchte, ihn zu beruhigen. »Mach dir wegen Pimmel keine Sorgen, der kommt schon heil durch. Wann bist du bei mir?«
»Nicht wegen Pimmel. Der Theaterbus ist weg. Pimmel muss ihn sich geschnappt haben, sonst hatte niemand Schlüssel für den Transit.«
Das waren schlechte Nachrichten. Was war nur in Pimmel gefahren? Dass der alte Transit, zu dem nur Lollo und Pimmel Schlüssel besaßen, nicht mehr an seinem Abstellplatz stand, versetzte Ohmsen endgültig in höchste Alarmbereitschaft. Lollos ungespielte Entrüstung verschaffte ihm die Gewissheit, dass sich Pimmel mit diesem Fahrzeug abgesetzt haben musste.
Ein Verdacht keimte auf: War Pimmel auf dem Weg zum Präsi, um dort bei den Halbwilden abzukassieren und anschließend mit seinem Geld irgendwo unterzutauchen?
Er musste Pimmel irgendwie abfangen. Zunächst galt es jedoch, Lollo zu beruhigen.
»Lollo, wir treffen uns in einer halben Stunde auf der Tankstelle bei euch am Schauspielhaus. Ich regele alles, und dann machen wir uns aus dem Staub.«
Beruhigt war Lollo nicht als Ohmsen auflegte, aber immerhin versprach er, dorthin zu kommen. Nachdem Ohmsen das Maritim verlassen hatte, bemühte er sich, möglichst dicht entlang der Büsche das Hotelgelände zu verlassen. Er überquerte schnell die Lindenallee, um über die ihm vertrauten Wege durch das Düsternbrooker Gehölz und das angrenzende Wohngebiet möglichst unerkannt zur Tanke zu gelangen.
Je mehr er sich der Holtenauer Straße näherte, umso mulmiger wurde ihm. Vielleicht wurde er schon bundesweit gesucht? Einmal drückte er sich in einen Eingang, aber der vermutete Polizist war lediglich ein Rentner mit Kapitänsmütze. Da es sich jedoch um den Eingang zu einer Bank handelte, ging er kurzerhand zum Geldautomaten, um sich mittels der Kreditkarte ausreichend mit Bargeld zu versorgen. Dann begab er sich wieder auf die Straße.
Schließlich gelangte er unbehelligt in den Verkaufsraum der Tankstelle, und Lollo stürzte erleichtert auf ihn zu. Ohmsen wehrte seinen Ansturm jedoch ab und orderte zunächst beim Tankwart zwei Becher Kaffee.
Während der Tankwart mit ungelenken Händen an der Kaffeemaschine herumhantierte, stellte Ohmsen seine Anfrage. »Ich suche ein gebrauchtes Fahrzeug, darf nicht zu teuer sein. Haben Sie vielleicht etwas auf Lager?«
Während der Tankwart die Kaffeebecher vor ihm aufstellte, zuckte er mit den Schultern. »Kann sein. Wenn in der Werkstatt nichts zu tun ist, dann flickt der Geselle immer alte Blechhaufen zusammen. Ich würde
Weitere Kostenlose Bücher