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Friesenschnee

Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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automatisch vom immer holpriger werdenden Fußgängerbereich auf die glatt asphaltierte Straße und trat kräftig in die Pedale.
    Wie immer hupte der eine oder andere Autofahrer, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er sich auf dem falschen Fahrweg befand. Das wusste Stuhr natürlich, aber sich auf dem Radweg bei hoher Geschwindigkeit auf die Nase legen wollte er auch nicht. Wegen der zunehmenden Dunkelheit hatte er sich aus Sicherheitsgründen wie bei jeder abendlichen Radtour nicht nur ein Rücklicht an den Sattel geklemmt, sondern sich neben dem Halogenscheinwerfer auch ein Stirnlicht an den Helm geklettet, um besser gesehen zu werden.
     
    Unerwartet heftete sich jetzt ein Fahrzeug an seine Fersen, und das ihn dicht verfolgende penetrante Motorengeräusch wurde von einem nervenden Hupen begleitet. Stuhr drehte sich wütend um und reckte seinem Verfolger mehrfach den erhobenen Mittelfinger entgegen. Daraufhin begann der Fahrer nicht nur mit der Lichthupe zu spielen, sondern holte seitwärts auf, um ihn anschließend vorsichtig mit dem Kotflügel gegen den Bordstein zu zwängen.
    Stuhr erhöhte sein Fahrtempo. Aber die Bedrängnis wurde immer größer, denn nun scherte das Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn aus, um anschließend zurückzupendeln und ihn von der Fahrbahn zu drängen. War dieser Rowdy denn von allen guten Geistern verlassen?
    Zum Glück konnte Stuhr reaktionsschnell über einen abgesenkten Bordstein zurück auf die Uferpromenade flüchten, doch die kurzen, harten Stöße von den uneben verlegten Betonplatten schmerzten im Gesäß. Doch der Autofahrer ließ nicht locker und verfolgte ihn jetzt auf der Promenade.
     
    Da sich jedoch Fußgänger näherten, musste der Fahrer notgedrungen abbremsen. Stuhr nutzte das, indem er wieder auf die Uferstraße wechselte und in die kleine Straße zur Forstbaumschule hin abbog. Mit letzter Kraft radelte er zur Grünanlage neben dem Eingangstor des Wehrbereichskommandos Küste. Obwohl ein Warnschild auf Militärisches Sperrgebiet verwies und Schusswaffengebrauch androhte, warf er kurzerhand sein Rad über die kleine Begrenzungsmauer. Dann sprang er wagemutig hinterher und versteckte sich hinter einem kleinen Gebüsch. Erschossen oder von hinten überfahren zu werden, das machte keinen großen Unterschied.
    Aber es sollte viel schlimmer kommen, denn es dauerte nicht lange, bis die Lichtkegel eines Fahrzeugs auf die kleine Straße einschwenkten. Ein kleiner Handscheinwerfer leuchtete aus dem Fahrzeug heraus die Umgebung ab. Stuhr lugte immer wieder vorsichtig hinter dem Gebüsch hervor und staunte, als das Fahrzeug genau an der Mauer vor seinem Gebüsch stoppte.
    Eine drahtige Figur entsprang dem Wagen und bewegte sich genau auf ihn zu. Stuhr duckte sich. In der hier herrschenden Dunkelheit konnte er eigentlich selbst aus einem Meter nicht erkannt werden.
    Dennoch senkte sich unerbittlich eine Whiskyfahne aus nächster Nähe auf ihn nieder.
    »Herr Stuhr, warum laufen Sie denn vor mir davon?«
    Wie ein ertappter Hase vor dem Bau nahm Stuhr ungläubig das Erscheinen von Rechtsanwalt Trutz zur Kenntnis, der seine Rede fortsetzte. »Ich muss Sie dringend wegen Frau Rieder sprechen. Was ist das nur für ein Glücksfall, dass ich Sie auf dem Fahrrad erkannt habe.«
    Stuhr fluchte. Wenn das Glück sein sollte, was wäre dann Pech bei diesem Herrn? Es konnte doch nicht sein, dass Angelikas Rechtsverdreher Hatz auf ihn machte?
    Es wurde Zeit, dem Anwalt einmal deutlich die Meinung zu geigen. »Herr Trutz, gehört Menschenjagd neuerdings zu den Aufgaben einer ordnungsgemäßen Rechtsvertretung?«
    Der Rechtsanwalt wehrte ab. »Nein, keineswegs. Ich wollte Sie nur zu Ihrem eigenen Vorteil stoppen. Zudem sind Sie Sportler, und ein kleines Bad in der Förde muss für Sie doch eine willkommene Abwechslung von der stumpfsinnigen Strampelei sein. Können Sie keinen Spaß vertragen, Herr Stuhr?«
    Grimmig schüttelte Stuhr den Kopf. »Das war kein Spaß mehr, Dr. Trutz. Wie haben Sie mich überhaupt in der Dunkelheit ausfindig machen können?«
    Anstelle einer Antwort tippte Trutz einfach kurz an seine kleine LED-Stirnlampe.
    Natürlich ärgerte sich Stuhr über seine Dämlichkeit schwarz, nicht daran gedacht zu haben, das Stirnlicht auszuschalten. Doch er wollte sich von Dr. Trutz nicht wie ein unmündiges Kind behandelt wissen. »Warum können Sie mich nicht wie jeder andere normale Mensch in meiner Wohnung aufsuchen?«
    Trutz reichte ihm jetzt die Hand, damit er aufstehen konnte.

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