Friesenschnee
schien Pimmel jedoch mitbekommen zu haben, dass das Geklirre der zerschellenden Gläser erheblichen Unmut unter den Gästen erregte.
»Klo«, zischte er Olli zu und schwankte auch schon dorthin.
Olli grinste den herannahenden Kellner notgedrungen frech an und folgte Pimmel. Auf der Toilette ging es dann schnell zur Sache. Olli überreichte ihm die fast vollständig abgearbeitete Liste, das Geld und das übriggebliebene Päckchen.
Pimmel zählte nicht einmal nach, sondern entnahm dem Geldpacken vier 500er-Scheine und händigte sie ihm aus. »Hier, der Fürstenlohn für dich. Kannst dafür einen ausgeben.«
Kaum hatte Olli das Geld in der Hemdtasche verstaut, da steckte der Kellner bereits neugierig seine Nase durch die Tür. »Ah, hier tafeln die Herren jetzt. Ich muss leider abkassieren. 62,50 Euro. Kreditkarten akzeptieren wir nicht.«
Da hatte der Kellner in Pimmel den Richtigen gefunden, der sich ungerührt zu einer der Toilettenkabinen begab und sich im Stehen über dem Klobecken erleichterte. Der harte Strahl traf nicht immer nur die Porzellanschüssel, und ob er seine eigene Hand unabsichtlich traf, darüber war sich Olli unschlüssig. Dann griff Pimmel mit seiner urintriefenden Hand in die Jacke und fummelte einen 500er-Schein heraus. Damit wischte er zunächst grob die Klobrille ab und hielt sie dann dem fassungslosen Kellner entgegen. »Stimmt so, Kleiner. Abtanz jetzt!«
Mit spitzen Fingern ergriff der Kellner die durchnässte, nach Urin stinkende Banknote und verließ fluchtartig die Örtlichkeit.
Pimmel grinste breit und wusch sich anschließend gründlich die Finger. Dabei erläuterte er, über das Handbecken gebeugt, seine symbolische Handlung näher. »Diese Reinigung wäre nicht zwingend erforderlich wegen der Pinkelei, sondern wegen diesem öligen Schmiertypen.«
Danach wendete er sich wieder Olli zu. »Gut gemacht, Olli. Du siehst, es lohnt sich für uns beide. Das letzte Paket übernehme ich selbst. Jetzt hau ab. Ich werde dich anrufen, wenn ich deine Dienste wieder benötige. Tschüss.« Mit diesen Worten verließ Pimmel den Raum.
Olli wartete eine Zeit lang ab, bevor er vorsichtig die Tür zum Gastraum öffnete. Pimmel war inzwischen an seinen Tisch zurückgekehrt und hatte wieder mit den beiden Flittchen Kontakt aufgenommen. Ungläubig nahm Olli zur Kenntnis, dass der Kellner bereits wieder beflissen mit neuen Getränken heranrauschte.
Beim Vorbeigehen wurde Olli von Pimmel unerwartet freudig bedacht. »He, Olli, schau doch mal unser reizendes Damenblasorchester an.«
Die beiden neben Pimmel stehenden blondierten Grazien wirkten ebenfalls reichlich angeschickert, denn sie verzogen kichernd ihre grell geschminkten Lippen. Mit unbewegter Miene tischte der Kellner jetzt die neuen Getränke auf, als wenn es das Normalste auf der Welt wäre.
Pimmel ergriff sein Cocktailglas und hielt es Olli als Angebot zum Einstieg in die fröhliche Runde entgegen. »Champagner für die Damen, und für dich das Hartgetränk!«, sang Pimmel dazu.
Doch Olli verabschiedete sich freundlich und strebte dem Ausgang zu.
Es war nicht zu überhören, wie Pimmel jetzt anzüglich den Damen zuprostete. »Dann müssen wir uns eben alleine bei Prosecco und Stößchen vergnügen. Auf eine gute und enge Zusammenarbeit.«
Das schrille Gelächter der beiden Grazien ließ darauf schließen, dass seine Ansage bei ihnen höchste Verzückung erzeugt hatte.
Tja, mit Pimmel wurde es anscheinend nie langweilig.
Olli entfloh dem Restaurant.
Volle Kante
Schweißgebadet sauste Stuhr mit seinem Rennrad am Ende des Tages an der Kante der Hindenburgufer-Promenade entlang, die sich vom alten Olympiahafen vor dem Institut der Weltwirtschaft bis hin zum Marinestützpunkt in der Wik zog. Früher war er hier stundenlang gejoggt, aber seitdem er mit Jenny zusammen war, erlaubte er sich nur noch in der Woche ausgiebig Sport, wenn sie nicht zusammen waren. Auf dem Rennrad konnte er immerhin noch in einer knappen halben Stunde den Reiz seiner Laufstrecke erspüren, die immer neue Blicke auf die Kieler Förde ermöglichte und auf dem Rückweg durch die Forstbaumschule führte, eine alte Parkanlage mit einem traditionsreichen Erholungslokal.
Er liebte es, wenn seine Gedanken beim Sport mit dem austretenden Schweiß freier wurden. Den ganzen Tag hatte er darüber gegrübelt, ob er nicht Jenny die Angelegenheit mit Angelika in aller Ausführlichkeit beichten sollte. Auf der Höhe des Kieler Yacht-Clubs wechselte er fast
Weitere Kostenlose Bücher