Friesenschnee
das vermutlich ausgegangen wäre.
Das schien Pimmel bemerkt zu haben, der mit markigem Gesichtsausdruck grinsend den imaginären Pulverdampf vom Zeigefinger wegpustete. »Schwamm drüber. Jetzt geht es nur noch ums Geschäft. Hier ist der Zettel mit den Lieferadressen, und hier ist ein kleiner Stadtplan. Alle Kunden sollten eigentlich Bescheid wissen, sie erwarten dich. Sie werden dir alle zwei Riesen geben. Wenn du fertig bist, dann kommst du einfach hierher wieder zurück.«
Olli nickte zustimmend. »Wo ist der Friesenschnee?«
Mit einer leichten Kopfbewegung bedeutete Pimmel, ihm zur Herrentoilette zu folgen. Dort wurde er ernst. »Dieses Mal darf nichts dazwischenkommen. Verpiss’ dich notfalls und komm erst hierher zurück, wenn du sicher sein kannst, dass dir niemand mehr folgt. Wenn ich kein gutes Gefühl habe, dann kenne ich dich einfach nicht. Gewalt nur als letztes Mittel. Capito?«
Olli bemühte sich, möglichst cool zu wirken, was ihm nicht leichtfiel, denn schließlich war er jetzt ein Drogenkurier. »Capito exzellente.«
Pimmel zog wortlos aus beiden Jackentaschen eine Handvoll kleiner Päckchen. »Hier, immer 50 Gramm. Reine Ware, kaum gestreckt.«
Olli stopfte die Päckchen in seine Taschen und blickte Pimmel noch einmal kurz in die Augen. Dann kehrte er auf dem Absatz um und verließ die Örtlichkeit mit drahtigem Schritt. Er nahm direkt den Ausgang zur schattigen Ostterrasse, hinter dem ihm der alte Wasserturm gegenüberstand, dessen Backsteinwerk von den letzten Sonnenstrahlen in ein sanftes rötliches Licht getaucht wurde.
Olli überquerte den Westring und bewegte sich auf der anderen Seite des Restaurants an einer fast schlossartigen, von hohen Kastanien umsäumten Gebäudeanlage entlang. Als Olli in die Rankestraße einbog, entlarvte sich der dreiteilige Bau mit den beige verputzten Fassaden und einer orangeroten Dachlandschaft durch den Schulhof schnell als Bildungsstätte.
Die kleine, kastanienumsäumte Rankestraße bildete einen unerwartet angenehmen Kontrast zu dem vom mehrspurigen Straßenverkehr malträtierten Westring. Auf der anderen Straßenseite der Schule standen zahlreiche ältere backsteinerne Villen, und am letzten dieser Häuser war vor einer scharfen Rechtskurve ein blaues Schild befestigt: ›Ravensberg‹. Olli blickte nach links. Richtig, an dieser Ecke mündete ein kleiner Sandweg in die Straße, der, von einer Buschreihe umsäumt, zum Wasserturm führte. Dort musste die Studentin mitsamt ihrem Hund niedergeknüppelt worden und Halbedel vom Turm getaumelt sein. Olli schauderte es, obwohl Pimmels Auftrag auch nicht gerade versprach, eine Lustreise zu werden.
Irgendwie musste er sich absichern. Sollte er nicht schnurstracks mit der Adressenliste zu Stuhr rennen? Schließlich wohnte der nur einige Steinwürfe entfernt auf der anderen Seite des Wasserturms. Mit Stuhr hatte er sich richtig angefreundet. Ihm vertraute er. Olli drehte sich vorsichtig um, ob er verfolgt wurde. Es sah zwar nicht so aus, aber ausschließen konnte er es auch nicht.
Nein, bei Stuhr zu klingeln, das war zu gefährlich. Am besten sollte er sich mit der Liste zu Kommissar Hansen in Sicherheit begeben, aber er wusste nicht, wo er den auffinden könnte. Wo ist ein Kommissar denn üblicherweise zu Hause? Auf einer Polizeiwache sicherlich nicht. Den Kommissar Hansen kannte Olli eigentlich nur aus Kneipen und Krankenhäusern. Bei ihm hatte er stets das ungute Gefühl, für ihn die Kohlen aus dem Feuer holen zu müssen.
Entschlossen strebte Olli dem Sandweg zum Wasserturm zu und kramte auf der ersten Parkbank den Lieferschein von Pimmel heraus, um ihn mit dem Handy zu fotografieren. Dann steckte er das Papier weg und übermittelte das Foto an Stuhr, weil Olli nicht sicher war, ob Hansens Dienstgerät Fotos empfangen konnte. Er hoffte inständig, dass das als Rückversicherung reichen würde.
Dann löschte er das Foto, damit Pimmel nicht bei seiner Rückkehr und einer eventuellen Filzung auf dumme Gedanken kommen könnte. Erleichtert schaltete Olli sein Handy aus und zog den Stadtplan hervor, um sich zu orientieren. Richtig, er befand sich am Ravensberg. Vom Vereinsheim der Tennisanlage schallte ihm zur Bestätigung jetzt Jubel herüber. Offensichtlich wurde dort ein Sportereignis gefeiert. Stuhr hatte bereits öfter von diesem Vereinsheim geschwärmt.
Olli setzte seinen Weg fort. Bremerstr. 23, Zimmer 408, das war die erste Anschrift auf Pimmels Adressenliste. Es handelte sich vermutlich
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