Friesenschnee
schwierigen Fall übertragen bekommen hat, dann muss abends das Lämpchen im Büro ein wenig länger brennen. Das kann ich bei Ihnen leider nicht feststellen.«
Das stank dem Kommissar, verhöhnen lassen musste er sich nicht. »Wie meinen Sie das? Wollen Sie mir unterstellen, dass ich nicht genug arbeite?«
Magnussen winkte ab. »Lassen Sie nur, Hansen. Sie werden sicherlich alle geleisteten Stunden akribisch aufgelistet haben, wenngleich Ihre Arbeit von beispielloser Erfolglosigkeit gekrönt ist. Ich habe Ihre gesammelten Werke durchgelesen. Die Aktenlage ist viel zu dünn. Sicher, dieser Immel ist eine verdächtige Figur, aber was haben wir gegen ihn in der Hand? Nichts, außer Ihren von Rechtschreibfehlern strotzenden Vermerke.«
Trotzig antwortete Kommissar Hansen: »Ich habe meinen Dienst nicht angetreten, um gegen den Rechtschreibduden anzustinken. Zudem kann ich nicht mehr herausbekommen, als es die Ermittlungslage hergibt. Ich bin mir jedoch nach wie vor sicher, dass ich alle Hintergründe aufdecken kann. Aber ich benötige noch ein wenig Zeit.«
»Zeit, Zeit, Zeit. In welchem Jahrhundert leben Sie denn? Zeit ist das, was wir inzwischen am wenigsten haben. Diese Petra Bester hat einen großen Aufmacher in der Kieler Rundschau angekündigt. Sie wird im Fahrwasser der politischen Opposition operieren, da bin ich mir sicher. Es nützt nichts, Hansen. Sie müssen endlich mehr Kohlen auf die glimmende Glut legen.«
Wieder zog Magnussen den Fall auf die politische Schiene, weg von der Sachebene. Wie sollte Hansen dagegen ankommen? »Chef, ich tue bereits, was ich kann. Mehr geht wirklich nicht.«
Die Miene von Magnussen nahm enttäuschte Züge an. »Genau das habe ich befürchtet, Hansen. Aber unter uns, keiner der Mitarbeiter in der Direktion erreicht auch nur annähernd die Schlagzahl der freien Wirtschaft. Man muss sich mit dem Apparat eben so zufriedengeben, wie er ist. Meine Kritik trifft Sie also nicht allein. Von einer Kuh kann man nicht mehr als Milch verlangen, vor allem nicht, wenn sie beamtet ist.«
Diese Anspielung war entehrend, aber Hansen hatte in zahlreichen Polizeitaktik-Seminaren gelernt, dass man seinen Gegnern persönliche Enttäuschungen nie zeigen sollte. So bemühte er sich, das Gespräch auf eine humorvolle Ebene zu ziehen. »Man kann einer Kuh ja auch besseres Futter zuteilen und sie friedlich im Grünen weiden lassen. In der Regel soll das bessere Erträge erbringen als die Käfighaltung von Hühnern.«
Magnussen amüsierte sich über diese Einlassung. »Hätte ich Ihnen nicht zugetraut, Hansen, diese hintersinnige Einschätzung. Ich merke, auf dieser Ebene verstehen wir uns. Sie mögen vielleicht einer unserer Besten sein, aber Sie müssen es mir irgendwann auch einmal beweisen. Gerade bei Ihnen vermisse ich den besonderen Einsatz, Hansen. Die letzte schmerzende Blutgrätsche, um das Recht durchzusetzen. Schade eigentlich.«
Kommissar Hansen entschied sich, das besser nicht zu kommentieren. Er hegte nur den Wunsch, diesen Raum möglichst sofort zu verlassen, um wieder mit normalen Menschen sprechen zu können.
Magnussen wurde förmlich. »Nur 24 Stunden, die kann ich Ihnen noch geben, Hansen. Eine letzte Galgenfrist sozusagen. Dann bin ich jedoch gezwungen, den Fall in andere Hände zu legen.«
Hansen nickte ergeben. »Sonst noch etwas?«
Magnussen drehte sich um und entfernte sich zum Fenster, um interessiert dem Treiben auf dem Hof der Direktion zuzusehen. »Ja. Ich sage es ganz offen: Wenn Sie es bis dahin schaffen, Hansen, dann will ich nichts gesagt haben. Ansonsten müssen wir uns einmal noch gründlicher unterhalten. Sie wissen, was ich meine?«
Hansen wusste das genau, aber bisher hatte er niemals erlebt, dass Vorgesetzte an seiner Leistung zweifelten. Dieses Gefühl der Wertlosigkeit hinterließ einen faden Geschmack bei ihm. Wortlos und aufrecht verließ er den Raum.
Erst auf dem Flur begann er, wieder tief durchzuatmen. Im Treppenhaus hörte er schon von Weitem den Klingelton des Telefons in seinem Büro. Er beschleunigte seinen Gang, und tatsächlich konnte er den Anruf noch abfischen. Es war Fingerloos, der sich ungewöhnlich interessiert nach seinem Befinden erkundigte. »Moin, Konrad. Wie kalt war denn der Einlauf bei unserem Chef? Oder bist du eben gerade etwa geadelt worden?« Einen anschließenden Lacher konnte sich Fingerloos nicht verkneifen.
Hansen erschauerte zunächst bei der Anrede mit seinem Vornamen. Dann grübelte er darüber, woher
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