Friesenwut - Kriminalroman
Normalverbraucher
nachvollziehen können, was sich auf den internationalen Geldmärkten tat? Für
vergleichsweise geringe Kosten wurden Sozialleistungen gestrichen, bei
Arbeitslosen, in Schulen, im Gesundheitswesen gespart, während andererseits
Milliardenbeträge sofort bereitstanden, um die notleidenden Banken zu stützen,
ausgerechnet die …Was war das überhaupt für eine Bezeichnung, ›notleidende
Bank‹?
»Aldenhoff hatte gar nicht so
einen guten Stand, wie mir sein Vorgesetzter vormachen wollte«, sagte Itzenga
unvermittelt. Der Sprung vom internationalen Geldmarkt zum Banker Aldenhoff lag
für sie nahe.
»Hmm …« Ulferts schien mit den
Gedanken noch an den Börsen in Chicago, Tokio oder Frankfurt zu sein.
»Infolge der Bankenkrise hat auch
sein Institut Verluste gemacht.«
»Das wussten wir schon. Trägt er
dafür die Verantwortung?«
»Zumindest zu einem guten Teil.
Völlig allein kann er natürlich nicht handeln. Er soll allerdings schon vorab
Geschäfte gemacht haben, die nicht immer mit den Richtlinien übereinstimmten.
Hat sich sozusagen etwas weit aus dem Fenster gelehnt, nach dem Motto: ›Den und
den kenne ich, kein Problem, wenn wir dem noch einmal Geld leihen‹. Hat wohl
die eine oder andere Rüge dafür bekommen. Und nun fehlt plötzlich das Geld, da
machen sich riskante Kreditgeschäfte wohl nicht so gut …«
»Alles etwas unkonkret!«
»Sicher. Ich verstehe nicht viel
davon. Wir müssen das dennoch weiterverfolgen. Es könnte zur Aufklärung der
ganzen Geschichte beitragen.«
»Woher weißt du das überhaupt?
Sein Chef in der Filiale hat ihn sehr gelobt.«
»Habe mich weiter erkundigt. War
gestern in Oldenburg, beim Haupthaus.«
»Ich dachte, du hattest einen
freien Tag!«
»Da kannste mal sehen, von wegen
freier Tag. War mit dem Zug in Oldenburg, von Emden aus. Nette Reise, habe mir
allerhand Akten mitgenommen, Bahn fahren ist halt wesentlich effektiver als mit
dem Auto genervt durch dichten Verkehr und Staus zu gondeln. Angerufen habe ich
schon vorgestern und habe kurzfristig einen Termin bekommen.«
»Erstaunlich. Beides. Dass du an
deinem freien Tag arbeitest und so schnell einen Termin bekommen hast.«
»Dem Management – dem höheren
Bankmanagement sozusagen – ist an Gerüchten über ihre Mitarbeiter oder
Filialen nicht eben gelegen.«
»Oder noch schlimmer – der
Wahrheit!«
»Vielleicht auch das.«
»Und mit wem hast du gesprochen?«
»Mit einem Cassjens. Er kannte
Aldenhoff persönlich und er war dabei, als er schon einmal abgemahnt worden
war.«
»Interessant.«
»Aldenhoff war kein
unbeschriebenes Blatt – und dass er plötzlich lauter Kredite verweigerte,
hat wohl eher mit dem zu tun, was er vorher verbockt hat.«
»Logisch, dass Sommer und Reemts
nicht gut auf ihn zu sprechen waren. So gesehen, sollten sie letztlich für die
verlustbringenden Geschäfte Aldenhoffs einstehen.«
»Im Prinzip ja, auch
wenn sie die wahren Hintergründe nicht kannten. Natürlich haben beide erst
einmal Aldenhoff verantwortlich gemacht – er war ja die einzige Person,
die sie persönlich ansprechen konnten.« Tanja Itzenga blickte durch die Scheiben
auf das weite, platte Land und vergaß plötzlich, das Gespräch weiterzuführen.
Einige Pappeln, unter denen im Sommer ostfriesische Schwarzbunte auf fetten
Marschweiden grasten, wiegten sich im Wind, weiße Schönwetterkumulanten zogen
am blauen Himmel vorbei. Ein schöner Herbsttag in der ostfriesischen Krummhörn.
Die Hauptkommissarin genoss den Anblick und ihr Fahrer schien seinen Gedanken
über das zuvor Besprochene nachzugehen.
Das vergleichsweise
große Polizeiaufgebot erregte Aufsehen in Manslagt. Immer mehr Leute kamen
zusammen; schnell fand sich eine beachtliche Menge vor Rainer Manningas Haus
ein. Drei Pkws waren vor Ort, zwei Polizeiwagen und ein Zivilfahrzeug. Itzenga
und Ulferts waren, zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen, schnellen Schrittes
zur Haustür gegangen. Sie warteten. Weitere Beamte hatten sich hinter dem Haus
postiert, um den dortigen Ausgang zu überwachen.
Itzenga klingelte wiederholt,
Ulferts und ein Kollege behielten die Fenster im Auge, falls sich hier etwas
tat. Doch alles blieb still.
»Verdammt. Sollen wir jetzt
stürmen oder wie?«, flüsterte Itzenga ihrem Kollegen zu.
»Das ist nicht nötig … Die Tür
kriegen wir auch einfacher auf«, antwortete er.
In diesem Moment bahnte sich eine
Frau einen Weg durch die Menge. Bertha Schmidt. »Frau Hauptkommissarin,
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