Friesenwut - Kriminalroman
kein
Alibi. Und das wollen die Bullen. Mann, ich war breit wie tausend Russen an dem
Abend! Deshalb kann ich nichts Schlüssiges vorweisen … Mist!« Rainer lehnte
sich zurück und sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich die Anspannung der
letzten Tage.
»Oder du könntest ja doch, so im Affekt …
Vielleicht hast du es verdrängt, ich meine, so wie du in die Reemts verknallt
warst, wir hatten schon echte Sorgen. Liebe ist ja schön und gut. Aber du warst
verrückt nach ihr!« Onno hatte ihn ein wenig kritisch von der Seite angesehen.
»Quatsch«, antwortete Rainer
barsch. »Ich bring’ niemanden um, außerdem sind das alte Geschichten!«
»Alte Liebe rostet nicht«, ließ
sich Heiko hören, wurde jedoch von Derk abgewatscht: »Lass doch mal die blöden
Sprüche – das ist ernst.«
»Ist ja gut«, versetzte Heiko und
las weiter in einem Reiseführer über das nördlichste Bundesland, vermeintlich
unbeteiligt, wenigstens mit einem Ohr hörte er offenbar zu.
»Lassen wir das Ganze
erst einmal ruhen, Leute. Ich habe nämlich heute etwas ganz Besonderes mit euch
vor. Ihr werdet staunen!«, ließ sich Derk laut vernehmen. Seine Freunde sahen
ihn mit großen Augen an, fast wie eine Kindergruppe, der gerade ein großes Eis
versprochen worden war.
»Wir gehen zum HSV«, riet Onno.
»Jau, Volksparkstadion,
astrein!«, jubelte Heiko.
»Von wegen Volksparkstadion. Das
heißt HSH Nordbank Arena.«
»Nicht mehr lange. Die HSH
Nordbank steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten! Es gibt einen neuen Sponsor
und damit einen neuen Namen, habe ihn im Moment nur vergessen.«
»Angela wird schon einen Schutzschirm
rüberstülpen, dann laufen die Geschäfte wieder!«
»Das machen schon Ole aus Hamburg
und Peter Harry aus Kiel, Letzterer hat die letzten Kröten des Landes zugunsten
der Bank verscherbelt!« Heiko grinste in die Runde.
»Nee … HSV isses nicht«, sagte Derk
laut und vernehmlich.
»Dann heute Abend zu Tina Turner,
die spielt irgendwann in diesen Tagen in der Color-Line-Arena, war das nicht
heute?«, riet Heiko. »Leute, wenn wir mit 70 noch so rumtanzen wie die …«
»Wäre nicht schlecht, Tina Turner
ist es jedoch nicht, die war außerdem bereits hier. Es ist was ganz anderes!«,
meinte Derk, den angesichts dieser Äußerungen plötzlich der Gedanke überkam,
eine Schnapsidee gehabt zu haben.
»Nun sag schon!«, raunte Onno ihm
zu.
»Natürlich nur, wenn ihr wollt.
Ist ganz nett, und wird euch an eure Kindheit erinnern!«
»Kindheit? Daran will ich
vielleicht gar nicht erinnert werden«, sagte Onno.
»Wieso – musst du dann an die
Schule und die vielen roten Zensuren im Klassenbuch denken?« Heiko lachte.
»Sei du mal ganz still, so gut
warst du selbst nicht, wenn ich an Englisch und Mathe denke«, gab Onno zurück.
»In Mathe war der
Lehrer schuld. Der saß doch mehr in der Kneipe in Norddeich als im Unterricht.«
»Ich lass mal die Katze aus dem
Sack«, mischte sich Derk ein, »ich habe letztes Wochenende in Bad Segeberg
Freikarten für fünf Personen für die Karl-May-Spiele gewonnen.
Preisausschreiben, in Basses Blatt, das ist hier ein lokales Anzeigenblatt.
Einfach mal mitgemacht – und gewonnen! Wir müssen also nur eine Karte
dazukaufen …«, er kam nicht weiter.
»Karl May?« Tjark sah ihn
entgeistert an. »Und ich dachte, wir fahren nach Hamburg auf die Reeperbahn
oder ins Kieler Hafenviertel, da gibt’s doch bestimmt einen Red-Light-Distrikt
…«
»Hömma, du Vogel«, mischte sich
jetzt Heiko ganz unostfriesisch ein, »so ein bisschen Kultur könnte dir mal
ganz guttun.«
»Ist Karl May Kultur?«, fragte
Gerjet.
»Und wie!«, unkte Tjark.
Dann sagte Derk: »Okay, wenn ihr
nicht wollt – ist allerdings eine lustige Sache. Erol Sander spielt den
Winnetou!«
»Ist das euer Ernst? Da kann meine
Frau besser hingehen, die schmilzt immer weg, wenn die Erol Sander in diesen
Filmen sieht, aus denen der Schmalz nur so trieft, Rosamunde Pilcher und
ähnliches.«
»Kenn ich. Aber sehen muss man das
mal. Außerdem habe ich mindestens 30 Karl Mays in meiner Jugend gelesen«, es
war Onno, der Derk unterstützte.
»Ich dachte, es gibt nur im Sommer
Vorführungen in dem Freilichttheater?«, wunderte sich Gerjet.
»Eigentlich ja – doch
Segeberg ist im Jubiläumsjahr, 875 Jahre, deshalb haben sie ein paar
Zusatzveranstaltungen in den Herbstferien eingeschoben, es wurden sogar neue
Scheinwerfer aufgestellt. Darum auch extra Preisausschreiben und viel Werbung«,
entgegnete Derk.
Es
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