Friesenwut - Kriminalroman
lauschen.
»Ja, aufgehängt. Updrögt Bohnen,
Frau Kommissarin, kennen Sie wohl nicht, was?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Na, da lade ich Sie mal ein. Die
Speckbohnen werden an einem Bohnetjeband – daher übrigens der Name, wissen
Sie, dieses dünne, graue, richtig feste Band – aufgereiht und unter der
Küchendecke aufgehängt, so war es jahrhundertelang in ostfriesischen
Bauernküchen und so ist es bei uns bis heute. Dort trocknen sie einfach vor
sich hin, werden schrumpelig. Durch den Trocknungsprozess vergammeln sie nicht.
Und sind lange haltbar. Wenn man sie dann kocht, mit einigen wichtigen Zutaten,
gibt es einen wunderbaren Eintopf. Der heißt ›Updrögt Bohnen‹, getrocknete
Bohnen, ganz simpel.« Rehna Reemts war in ihrem Element und stolz, der
Hauptkommissarin etwas Neues erzählen zu können.
»Hört sich lecker an«, sagte diese
und bekam sogleich Bestätigung: »Lecker? Das ist ein Traum! Menno isst updrögt
Bohnen für sein Leben gern, Freya und ich ebenso«, sie machte eine kleine
Pause, Freya … Dann setzte sie wieder an: »Nein, wirklich, ich lade Sie mal
ein, wenn ich updrögt Bohnen mache. Es gibt so herrliche ostfriesische
Gerichte. Kennen Sie Speckfetten-Grau-Arten?«
»Nein«, konnte Tanja Itzenga nur
antworten. »Was ist das?«
»Ein zugegebenermaßen sehr
kalorienreiches Gericht. Sie brauchen …«, und nun repitierte Rehna Reemts,
während sie langsam weiter durch den Garten schlenderten, das Rezept.
»Nehmen Sie 250
Gramm graue Erbsen, einen halben Liter Wasser, zwei Möhren, zwei Stangen Porree
und – ganz wichtig – 250 Gramm durchwachsenen, an der Luft
getrockneten Speck. Zwiebel dazu, gute Butter, Salz …«
Tanja Itzenga hätte gern Bleistift
und Papier dabei gehabt – wie es sich für einen ordentlichen Ermittler
gehörte, um sich Notizen zu machen. Die italienische und provenzalische Küche
waren ihr nicht unbekannt und sie liebte spezielle Speisen beider Länder sehr.
Ostfriesische Gerichte hingegen kannte sie kaum, wenn man vom Grünkohl absah,
der aber überall in Norddeutschland gern gegessen wurde. Wo bekam man denn
graue Erbsen?
»Speck und gute Butter sind
besonders wichtig, und die Erbsen selbst natürlich …«, Rehna Reemts erzählte,
doch Tanja Itzenga bekam allenfalls die Hälfte mit und das würde nicht reichen,
um Speckfetten-Grau-Arten ordentlich zuzubereiten.
Die beiden Frauen
waren am Gartenzaun angelangt, der gleichzeitig die Grenze zum anliegenden
Acker bildete. In der Ferne sahen sie Menno Reemts auf dem großen
Deutzschlepper, er pflügte, bereitete das große Feld für die nächste Bestellung
vor und überlegte sicher, was er nach dem Weizen in diesem Jahr für die nächste
Ernte säen sollte. Plötzlich verfinsterte sich Rehnas Blick. Die beiden Frauen
hatten eine Weile nichts gesprochen, einfach die Sonne, die frische Luft
genossen und waren dem Duft des frisch umgeworfenen, fruchtbaren Marschbodens
und dem Gedanken nach gut zubereiteten Leckereien nachgegangen.
Rehna ergriff das Wort als Erste
wieder: »Frau Itzenga?«, fragte sie leiser, in anderem Tonfall.
»Ja?«, mehr sagte Itzenga nicht,
sie war noch bei updrögt Bohnen, Speckfetten-Grau-Arten und den Möglichkeiten
der Kombination dieser Speisen mit der provenzalischen Küche. Eventuell wäre es
besser, die regionalen Unterschiede einfach zu belassen? Alles andere würde
eine internationale Einheitspampe werden, uninteressant und wahrscheinlich
weniger schmackhaft.
»Da ist noch etwas.
Wegen … wegen des Unfalls.«
»Ja?« Sofort war Tanja Itzenga mit
den Gedanken bei dem eigentlichen Grund ihres Kommens.
»Mein Mann, er verhält sich
seitdem so seltsam, wissen Sie? Ich wollte nichts sagen, aber es nützt doch
alles nichts. Ich weiß nicht. Mein Mann …«, sie machte eine Pause, blieb
stehen, sah die Polizistin an: »Bitte, sagen Sie niemandem etwas, ja? Es bleibt
unter uns.«
»Das kommt darauf an, was Sie mir
sagen wollen, Frau Reemts. Wenn es der Aufklärung des Unfalles Ihrer Tochter
bzw. von Herrn Aldenhoff dient …«
»Weiß ich nicht«, fiel ihr Rehna
Reemts ins Wort, »ich will nur nicht, dass die Sache eventuell schlimmer wird
…«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie wissen ja, dass
Menno in der Nacht des Unfalls wach war. Wegen der trächtigen Kuh, Muffi.
Prächtiges Tier. Er war längere Zeit weg. Er geht immer noch einmal hinter den
Hof, um eine Zigarette zu rauchen. Ich kann das im Haus einfach nicht haben. Er
macht das öfter, wenn er nachts nicht
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