Frisch geküsst, ist halb gewonnen
ehrlich war, gab es noch eine andere Wahrheit. Er wollte sie nicht verlieren. Ohne dass er es gewollt hatte, war sie ihm wichtig geworden. Er konnte ihr vertrauen, was schwer zuzugeben war. Vielleicht war da noch mehr, aber er war noch nicht bereit, das genauer zu untersuchen. Zumindest jetzt nicht und vielleicht nie.
„Du solltest lieber sicherstellen, dass sie es von dir zuerst hört.“ Die Drohung in Garths Stimme war unüberhörbar. „Wenn sie es von jemand anderem erfährt, könnte es ihr das Herz brechen. Oder schlimmer.“
„Hör auf, mir zu drohen“, sagte Nick und machte sich auf in Richtung Tür.
Garth rief ihn zurück. „Du wirst das noch bereuen. Wir sind wie Brüder, Nick. Sind wir schon immer gewesen. Gib das nicht nur für eine Frau auf.“
„Izzy spielt hierbei überhaupt keine Rolle, aber das verstehst du nicht. Und genau deshalb will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“
Izzy hatte ernsthaft vorgehabt, Nick zur Rede zu stellen, nachdem ihre Schwestern gegangen waren, aber er war einfach verschwunden, und beinahe blind zu sein war ein erhebliches Handicap, wenn man eine weite, offene Fläche wie zum Beispiel eine Ranch absuchen musste. Beim Abendessen machte Aaron das Chaos des Tages komplett, als er ihr sagte, dass drei Kinder über das Labor-Day-Wochenende kommen würden.
„Es ist schon wieder Labor Day?“, fragte sie. Dann schüttelte sie den Kopf. „Egal. Was für Kinder? Was, wenn sie mich nicht mögen? Was, wenn ich es vermassle?“
„Hast du mal die Anzahl an ‘Ichs’ in dem Satz gezählt, junge Frau?“, fragte Aaron. „Um wen sollte es in dieser Unterhaltung gehen?“
„Um die Kinder, ich weiß. Was hab ich mir nur wieder gedacht.“
Aber sie dachte gar nicht. Sie war nur ungewohnt nervös bei dem Gedanken, mit Kindern umgehen zu müssen, die Probleme hatten.
„Was für Probleme haben sie denn?“, wollte sie wissen. „Körperliche Einschränkungen oder …?“
„Normalerweise nicht. Wir sind nicht für Rollstühle oder Krücken ausgerichtet. Meistens sind es Kinder, die etwas Schlimmes erlebt haben.“ Er klang ungewohnt ernst.
„Wie zum Beispiel?“
„Wie zum Beispiel es uns nichts angeht. Wir erhalten generelle Informationen, sodass wir nicht ein Feuerwerk einplanen für ein Kind, das in eine Schießerei gekommen ist, aber keine Einzelheiten. Zwei der Kinder sind allerdings schon mal hier gewesen, also kenne ich ihre Geschichte. Ihre Mutter hat erst den Vater und dann sich erschossen. Sie waren im selben Zimmer, als es passiert ist. Der Alte hatte sie jahrelang geschlagen, aber trotzdem.“
Izzy wurde flau im Magen, und sie schob den Teller von sich. Wo war Nick? Das hier zu hören wäre mit ihm in der Nähe etwas einfacher.
„Was machen wir mit ihnen?“, fragte sie weiter.
„Wir holen sie für ein paar Tage aus ihrem normalen Leben heraus. Sie reiten, klettern über die Hängebrücke. Sie können spielen und rennen, ohne dass jemand mit dem Finger auf sie zeigt.“
„Ich könnte das tun, aber ich wüsste im Zweifel nicht die richtige Richtung“, murmelte Izzy. „Was, wenn ich versage?“
„Das wirst du nicht. Du bist ein netter Mensch.“ Er klang für ihren Geschmack viel zu fröhlich.
„Was soll das heißen? Was verheimlichst du mir?“
Aaron seufzte. „Wir bekommen einen schwierigen Fall. Ihr Name ist Heidi. Sie ist zwölf. Vor zwei Jahren hat ihr Onkel sie vergewaltigt und dann angezündet, um sie umzubringen, damit sie nicht gegen ihn aussagen kann.“
Izzys Essen machte einen langsamen, unangenehmen Salto in ihrem Magen. „Darüber habe ich in der Zeitung gelesen. Der Onkel ist verhaftet worden und wurde dann im Gefängnis umgebracht.“
„Tja, manchmal funktioniert das Justizsystem noch“, merkte Aaron an. „Wie auch immer, Heidi hat über ein Dutzend rekonstruktive Operationen hinter sich. Sie ist sarkastisch, unfreundlich und hasst die ganze Welt. Nick und ich dachten, dass du hervorragend mit ihr zurechtkommen wirst.“
„Was?“
„Ich sag ja nicht, dass du auch so bist, aber du hast schon so eine gewisse Einstellung. Ich denke, du bist jung genug, dass sie sich mit dir identifizieren kann, aber nicht zu jung.“
Izzy hob abwehrend beide Hände. „Ich denke nicht, dass das funktioniert. Sollten wir nicht jemand Professionelles holen, der sich um sie kümmert?“
„Davon hat sie reichlich. Wir reden hier von einem langen Wochenende, Liebchen. So lange wirst du es schon aushalten. Am Ende des Tages ist sie immer
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