Frisch geküsst, ist halb gewonnen
Tisch im Flur und hätte am liebsten aufgeschrien. Wer war so dumm, Tische in den Flur zu stellen? Jeder wusste doch, dass sie nichts sehen konnte.
Nur dass der Tisch da schon seit ihrer Ankunft auf Nicks Ranch gestanden hatte und sie alle Räume auswendig gelernt hatte, um sich leicht in ihnen bewegen zu können. Sie kannte den Tisch, genau wie sie die Treppen und Türen und Wände kannte.
Aber jetzt war es anders. Jetzt war da nur totale Finsternis. Sie hatte nicht geahnt, wie sehr sie sich auf ihre schwache Sehkraft verlassen hatte, um herauszufinden, wo sie war und wo sie hinwollte. Sie würde alles neu lernen müssen.
„Ich habe eine Woche“, sagte sie laut und hörte im gleichen Augenblick Schritte.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht gut ist, wenn du Selbstgespräche führst.“ Aaron klang so fröhlich wie immer. „Und versteh mich nicht falsch, aber dieser Verband um deinen Kopf, der deine Augen bedeckt? Nicht gerade dein bester Look.“
„Oh, danke.“
„Ehrlichkeit ist die Grundlage unserer Freundschaft. Ich zum Beispiel bin ganz begeistert, dass du dich hast operieren lassen. Nächste Woche, wenn du wieder sehen kannst, möchte ich eine ernsthafte Unterhaltung über meine Frisur führen. Ich überlege, ob ich mir Strähnchen machen soll. Steve hat welche, und ich finde die Idee wirklich reizvoll, würde aber gerne noch eine zweite Meinung dazu hören.“
Wie beiläufig nahm Aaron ihren Arm. „Es ist fast Zeit fürs Mittagessen. Erinnerst du dich noch an den Weg?“
„Vielleicht“, sagte sie, dankbar für seine Hilfe. „Ich dachte, ich hätte mir das Haus eingeprägt. Schätze, damit lag ich falsch.“
„Du bist doch erst ein paar Stunden wieder hier. Gib dir ein bisschen Zeit.“
„Danke.“
Die Nacht nach der Operation hatte sie im Krankenhaus verbracht. Nick hatte regelmäßig nach ihr gesehen und sie am Morgen wieder zurück auf die Ranch gebracht.
„Norma hat dein Lieblingsessen gemacht. Sandwiches mit Bacon, Salat und Tomate. Und Pudding.“ Sie spürte, wie er sich schüttelte. „Bananenpudding.“
Sie lachte. „Was hast du gegen Bananenpudding?“
„Alles. Hättest du dir nicht wenigstens ein leichtes Sorbet oder in Schokolade getauchte Erdbeeren wünschen können?“
„Ach, die Erdbeeren würde ich auch essen.“
„Dann vergiss nicht, ihr das zu sagen.“
„Das mach ich. Außerdem glaube ich, dass es mehr zum Mittagessen gibt als nur Sandwiches.“
„Vielleicht, aber ich möchte gerne darauf hinweisen, dass sie für mich noch nie solche Mühen auf sich genommen hat, und ich bin derjenige, der ihre Biskuits in den Himmel lobt. Ich fühle mich nicht ausreichend gewürdigt. Hoppla, jetzt kommt eine Stufe, dann noch eine.“
Sie streckte die Hand aus, um den Türrahmen zum Esszimmer zu ertasten, nur um festzustellen, dass sie nicht mehr wusste, wie weit es zum Tisch war. Es war so komplett und undurchdringlich dunkel. Was, wenn sie so den Rest ihres Lebens verbringen musste? Was, wenn es nie wieder etwas anders als ihren Hör- und Tastsinn für sie geben würde?
Erneut stieg Panik in ihr auf, aber sie zwang sich weiterzuatmen. Gleichmäßige Atmung und eine Packung Beruhigungstabletten, falls die Angst zu groß wurde, waren ihre Rezepte, auch wenn Izzy vorhatte, ohne die Tabletten auszukommen. Dr. Greenspoon war der Beste. Sie vertraute ihm. Er hatte gute Arbeit geleistet und war mit dem Ergebnis der Operation sehr zufrieden gewesen.
„Woran denkst du gerade?“, fragte Aaron.
„Dass ich stark bin und das hier durchstehe.“
„Es ist nur eine Woche, Izzy. Und ich bin hier die Drama-Queen in unserer Beziehung.“
„Ich meinte, wenn die Operation schiefgegangen ist.“
Er tätschelte ihren Arm. „Ist sie nicht. Nick hat es mir erzählt. Der Arzt glaubt, dass deine Sehkraft wieder vollständig hergestellt ist.“
„Aber er ist sich nicht sicher. Und er kann sich auch erst sicher sein, wenn der Verband abkommt.“
„Stimmt. Und bist du nicht ein kleiner Sonnenschein? Hier ist der Stuhl. Fühlst du ihn?“
Sie streckte die Hand aus und fühlte den vertrauten Schwung der Rückenlehne. Sie tastete sich weiter vor und setzte sich schließlich hin. Sekunden später kam Norma hineingestürmt.
„Ich habe die Sandwiches gemacht“, verkündete sie. „Und ein paar verschiedene Salate. Oh, und natürlich Bananenpudding.“
Aaron stöhnte.
Izzy grinste. „Danke, Norma. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“
„Ich weiß“, sagte sie.
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