Frisch gepresst: Roman (German Edition)
besorgt. »Des beste wär, du tät’s hier schleunischst rauskomme un dich ema verzehn Tach bei uns ausruhe.« Ob mich 14 Tage bei Inge und Rudi ruhiger machen würden, halte ich für zweifelhaft. »Ich bin einfach nur schrecklich müde«, gähne ich den beiden entgegen. »Ei Inge, dann lasse mer der Andrea jetzt abä werklisch ema ihr Ruh, du werst des Bobbelscher noch oft genuch sehe, un jetzt tun mer unsrer Andrea ema en Gefalle un mache uns fort. Des Mädsche hat doch einiges mitgemacht, gell, Andrea, die werd mer ja ganz hippelisch«, kommt mir mein Fast-Schwiegervater entgegen. Er ist halt ein Lieber. Und Inge einsichtig. Sie gehen.
Endlich kann ich mich wieder ablegen, da reicht mir die Tratschner das Telefon rüber. Sabine. Es rauscht wie verrückt. »Seid ihr in die Karibik ausgewandert, der Hohrwerker-Junior und du? Wahnsinn, ist der echt dein Typ?« brülle ich in den Hörer. Auf einmal ist der Empfang glasklar, Sabine völlig deutlich zu verstehen: »War nur die Klospülung, nicht die Karibik, ich bin daheim, wo sonst.« – »Und der Hohrwerker? Du kannst es mir ruhig sagen, da war doch was«, bohre ich weiter. »Nee, der ist selbst mir zu alt, ich wollte dich nur erst mal aus der Gefahrenzone bringen und vor allem nicht der gesamten Welt die Möglichkeit bieten, deine Schenkel zu sehen.« (Sie kichert leicht bösartig.) »Wie kannst du in einem so kurzen T-Shirt durch ein öffentliches Krankenhaus hüpfen? Also, das muß doch echt nicht sein. Und dein Hohrwerker, der hatte nur Augen für die Kioskbesitzerin. So eine Rothaarige. Hat mich nach 10 Minuten allein in der Cafeteria sitzengelassen, der Simpel. Und Mundgeruch hat der. Nee danke. Den soll nehmen, wer will, den könntest du mir auf den Bauch binden, da würde nix laufen.«
Richtig in Rage gerät meine Sabine, aber als sie Luft holt, nutze ich die Chance, um sie zu unterbrechen: »Wann kommst du und erzählst mir den Rest des Tages und der Geschichte?« will ich wissen. »Heute abend oder morgen früh«, läßt sie mir die Wahl. »Morgen früh ist mir aber viel, viel lieber, da habe ich heute noch mal Zeit für jemand anderen.« Geheimnisvolles Schweigen in der Leitung. Sabine kann man nur durch demonstratives Desinteresse zum Plaudern bringen. Eigentlich will sie nämlich nichts mehr, als ihre Erlebnisse loswerden. Aber wenn man zu sehr bettelt, dann macht sie Zicken. Ein blödes Spiel, aber wir sind immerhin ein eingespieltes Team. »Morgen früh paßt mir auch besser, hier ist noch einiges los, also, bis morgen«, lüge ich dreist in den Telefonhörer.
»Wo ist denn hier was los«, will die Tratschner prompt wissen. Wieder ist meine kleine Schwindelei sofort aufgeflogen. Hat sie doch glatt Gefallen an dem rauschenden gestrigen Abend gefunden. Die hat ja auch den ganzen Tag Zeit, sich auszuruhen. Keine Hektik am Krankenbett. Eigentlich habe ich noch überhaupt keinen Besuch bei ihr gesehen. Nur ständige Telefonate. Gut, sie liegt schon länger hier als ich. Aber 4 Tage lang niemand, das ist schon auffällig. Daß ich es erst jetzt so richtig bemerke, spricht nicht gerade für meine Sensibilität. Wo stecken eigentlich Heike und Stefan? Vor allem Heike. Christoph weiß Bescheid: »Die ist wieder heimwärts. Mit dem ICE . Heute morgen. Nachdem wir frühstücken waren. Ich soll dich herzlich grüßen und dir noch einen dicken Schmatz geben. Sie ist bolle stolz auf dich und hat mir das hier für dich mitgegeben.« Er überreicht mir ein kleines Päckchen. Von der Größe her ein sehr vielversprechendes Päckchen. Stimmt, gestern habe ich außer den Monsterblumen, die ja von meinen Kollegen waren, gar nichts von Heike bekommen. Aber der Schampus hat mich schnell abgelenkt. Hatte mein Bruder ein Mitbringsel? Ich meine, außer sich selbst? Nein. Oder er hat es hier im Raum perfekt versteckt. Na ja, immerhin hat er unsere McDonald-Orgie bezahlt. Da kenn ich genug Männer, die jeden Anteil genau berechnet hätten. Und auch abkassiert. Im Päckchen sind Ohrstecker. Winzige Brillis. Auf dem beiliegenden Kärtchen steht: Einen für Dich und einen für Deine Tochter, die hoffentlich viel von der Frau Mama hat und eine ebenso strahlende Erscheinung wird! Ich fange sofort an zu weinen. Christoph gefällt es auch. »Nett von deiner Heike«, bemerkt er trocken.
Andere würden spätestens jetzt ihre eigene Unzulänglichkeit im Geschenkbereich entdecken und sich reumütig verkriechen. Christoph hat dafür einfach kein Gefühl.
»Einmal die 1, ohne Kapern
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